130mm-Federweg für Trail-Spaß!
MTB-Trail- und Tourenfullys um 4500 Euro im Test

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Wir haben fünf aktuelle 130-mm-Fullys getestet – und stellen Ihnen zusätzlich fünf weitere heißbegehrte Bikes für anspruchsvolle Touren vor.

Trailbike Test 05/2021
Foto: Dennis Stratmann

Trailbikes/Link zum Testbericht

Preis

Gewicht

Testergebnis

Cannondale Habit Carbon SE

4899 Euro

14,9 kg

Gut

Propain Hugene

4259 Euro

14,1 kg

Sehr gut

Radon Skeen Trail CF 10.0 SL

3629 Euro

13,5 kg

Sehr gut

Rocky Mountains Instinct C50 Tour Edition

4900 Euro

13,6 kg

Sehr gut

Specialized Stumpjumper Comp

3999 Euro

13,6 kg

Sehr gut

Alles nur Marketing? Seit einiger Zeit ist das Trailbike schwer "en vogue". Dabei ist der Begriff hierzulande noch gar nicht so lange existent. In den USA gilt das Trailbike hingegen seit jeher als Pendant für das bei uns beliebte Tourenfully. Vor rund fünf Jahren fand die Bezeichnung dann Einzug in die hiesige MTB-Sprache. Doch was zeichnet sie aus, diese Trailbikes? In Sachen Federweg bieten sie meist um 130 mm – nicht anders als die (vermeintlich) biederen Tourenfullys. Dennoch liegen sie in ihren Fahreigenschaften viel, viel ä.her an klassischen All-Mountain-Bikes mit 150-mm-Fahrwerken als an rein vortriebsoptimierten Cross-Country-Fullys. Warum? Weil sich die Bike-Hersteller dazu entschlossen, sie mit Geometrien und Parts zu versehen, die nicht nur auf flotten Schotterwegen, sondern auch auf souligen Singletrails und vor allem auf richtig schroffen Abfahrten bestens funktionieren.

Trailbike Test 05/2021
Dennis Stratmann
Moderne Trailbikes bieten vortriebsorientierte Sitzpositionen, effiziente Fahrwerke und sind insgesamt einen Tick Uphill-orientierter als ihre großen Verwandten, die All-Mountains. Die Vario-Geo am Rocky ermöglicht ein Anpassen an Fahrstil und persönliche Vorlieben.

Perfekt für den Alpencross?

Geht diese Zunahme an Bergabpotenz auf Kosten der Uphill-Performance? Ja und nein. Ja, weil das Gewicht im Vergleich zu "alten" Tourenfullys (speziell aus der 26"-Ära) deutlich näher ist. Schuld sind generell bergablastigere Parts wie fette 4-Kolben-Bremsen mit großen Rotoren, breite Cockpits und massige Federelemente, aber auch gripstärkere Reifen – eben alles, was es jetzt braucht, um den immer potenteren Geometrien gerecht zu werden. Ein gutes Beispiel, dass die Entwicklung vom klassischen Touren- zum Trailbike auch bei Parts-Klassikern angekommen ist, ist der einst bei Langstrecken-Bikern extrem beliebte Reifen Schwalbe Nobby Nic. Wog dieser in gängiger Größe 29 x 2,35" bis vor Kurzem noch 760 g und war Garant für flotte Touren (und auf abfahrtslastigen Bikes ein No-Go), bringt der 2020 neu vorgestellte Nobby je nach Version 950–1050 Gramm auf die Waage – aber mit der Folge, dass sich die Downhill-Performance um Welten verbessert hat. Auf drei der fünf Testräder kommt der neue Nobby übrigens zum Einsatz.

Zurück zur Bergaufleistung. Nein, sie ist nicht schlechter geworden, weil die modernen Trailbikes ihr Gewicht durch extrem effiziente, mitunter erstaunlich straff abgestimmte Hinterbaufederungen und ideal austarierte Geometrien mehr als wettmachen. Die modern-steilen Sitzwinkel sorgen zusammen mit den langen Oberrohren dafür, dass man perfekt zentriert im Bike sitzt, die Kraft punktgenau von oben aufs Pedal kommt und das "steigende Vorderrad" nur noch eine blasse Erinnerung an einst unausgewogene Bergräder ist. Lange Aus- und vor allem Auffahrten verlieren durch die höheren Gewichte vielleicht an "Spritz", lassen sich unter dem Strich aber dennoch effizienter und komfortabler denn je bewältigen. Auch für unser großes Themenspecial – den Alpencross – sind es daher die aktuell wohl besten Begleiter.

Trailbike Test 05/2021
Dennis Stratmann
Die Vario-Geo am Rocky ermöglicht ein Anpassen an Fahrstil und persönliche Vorlieben.

Bergab fletschen die Trailbikes dann erst so richtig die Zähne. Ihre wie angesprochen progressive Heckfederung ist auf sportliches Fahren durch Anlieger, über Sprünge und Wurzelfelder ausgelegt, die Schnitte der Rahmen mit langen Reach-Werten, gepaart mit kurzen Vorbauten und breiten Lenkern sowie flachen Lenkwinkeln, versprechen (und halten!) größtes Vergnügen. Rund ein Dutzend Bikes fragten wir für diesen Test an. Nur fünf folgten dem Ruf. Weil Trailbikes doch nicht so angesagt sind? Nein, weil viele Räder einfach aktuell aufgrund von Lieferschwierigkeiten (noch) nicht verfügbar sind.

Fünf Trailbikes um 4000 Euro

Der Reigen der Kandidaten beginnt mit dem schwersten Bike im Test, dem Cannondale Habit SE, das für 4899 Euro mit 140/130-mmm-Federweg und extrem abfahrtsverliebten Parts satte 14,9 Kilo auf die Waage bringt. Fast ein Kilo leichter ist das schon zum zweiten Mal in unseren Tests vertretene neue Propain Hugene in einem Aufbau für 4259 Euro – diesmal in der Version mit 140 mm Federweg vorne und hinten. Radon schickt einen alten Bekannten, das Skeen Trail CF 10.0 SL mit 130 mm Hub vorne und 120 mm heckwärts für attraktive 3629 Euro. Es vertritt in diesem Test quasi die alte Garde der Tourenfullys und ist dank toller Ausstattung mit 13,5 Kilo das leichteste Testbike. Das brandneue Rocky Mountain Instinct kommt in einer exklusiv in Deutschland erhältlichen "Tour Edition" für 4900 Euro. Ebenfalls noch backfrisch ist die jüngste Auflage des legendären Specialized Stumpjumper, das mit 140 mm Federweg vorne und 130 mm hinten für 3999 Euro antritt. Rocky und Specialized wiegen übrigens je 13,6 Kilo. Alle Testbikes kommen mit Carbon-Rahmen. Am "Stumpi" erhält der Kunde sogar einen Voll-Carbon-Rahmen mit flexenden Ketten- und Sitzstreben, die am Ausfallende wie eine Blattfeder arbeiten. Außerdem bietet das Stumpjumper ein Staufach unter dem Flaschenhalter – für Schlauch, Pumpe und Co. Viel her machen auch die Carbon-Rahmen von Rocky und Propain, die mit hochwertigen Lagerungen oder vielen Verstellmöglichkeiten begeistern. Cannondale und Radon setzen auf einen preiswerten, robusten Material-Mix aus Carbon-Hauptrahmen und Alu-Hinterteil.

Kommen wir zur Ausstattung der Trail-Räuber. Was kann man um 4000 Euro erwarten? Bei einem Preisunterschied zwischen den Testbikes von fast 1500 Euro sind Differenzen fraglos da. Zudem kommen zwei der Bikes von Direktvertrieben, die sich die Händler-Marge sparen. Versender Radon greift so wieder einmal in die Vollen und garniert das Skeen mit feinsten Parts. Allen voran das hochwertige Fox-Factory-Fahrwerk, das mit seiner goldenen "Kashima"-Beschichtung auch optisch hervorsticht. Die anderen Bikes bieten hingegen eine Ausstattung, welche in Sachen Güteklasse ein (Propain, Rocky) oder zwei (Cannondale, Specialized) Regale unter dem Bike aus Bonn liegt. Aber durchdacht, zum jeweiligen Charakter des Bikes und vor allem zum Einsatzzweck passend sind die verbauten Parts alle. So kommen natürlich überall Vario-Stützen zum Einsatz – mit reichlich Hub von 150 bis 185 mm. Als Bremsen sind durchweg standfeste 4-Kolben-Modelle verbaut, zumeist mit 200-mm-Discs vorne, 180 mm hinten. Sollten Sie sich zu den schwereren Fahrern zählen und/oder viel im alpinen Gelände unterwegs sein, können auch hinten 200er-Scheiben Sinn ergeben – in diesem Test ist dies nur am Propain der Fall.

Im Detail aber sind ein paar Mogler versteckt. So bietet das Cannondale zwar famose, "Enduromäßige" Federelemente, Schaltungs- und Antriebsparts sind aber nur auf/unter Sram-NX-Level, und die Kassette bietet eine (zu) geringe Übersetzungsbandbreite. Auch die billigen Shimano-Naben sorgen für Stirnrunzeln angesichts eines Preises von fast 5000 Euro fürs Bike. Wenig wertige Naben verrichten auch am Specialized ihr Werk.

Praxistest auf staubigen Trails

Am Ende zählt bei aller Theorie, Auflistung der Parts sowie Analyse der Geometriedaten natürlich der Praxistest. In diesem mussten sich die fünf Bikes drei erfahrenen Testern stellen. Insgesamt 43 Jahre an Testerfahrung kamen zusammen! Auf angenehm trockenen, anspruchsvollen Trails mit Sprüngen, Anliegern und Drops zeigten die Bikes ihr Können – und durften im 250-Höhenmeter-Anstieg gespickt mit Trail-Passagen und Steilstufen nicht schwächeln. Auch wenn wir teils deutliche Unterschiede zwischen den Bikes verzeichneten, schlugen sich alle Testkandidaten gut bis sehr, sehr gut – und schlagen damit gekonnt die Brücke zwischen klassischem Langstrecken-Fully und modernem "All-Trail-Bike". Es sind eben Bergräder für jeden Tag, für jeden Anspruch, für jeden Trail.

Trailbike Test 05/2021
Dennis Stratmann
Down the hill: Sprünge und flotte Flowlines meistern die Trailbikes im Test problemlos – hier profitieren sie von ihren modernen Geometrien.

Am besten gefiel uns das neue Specialized Stumpjumper Comp, das für 4000 Euro ein besonders breites Einsatzspektrum bietet. Ein weiterer sehr fein ausbalancierter Neuling folgt mit dem Rocky Mountain Instinct nur ganz knapp dahinter. Auch das Propain Hugene ist ein rundum gelungenes 140-mm-Fully mit vielleicht etwas zu viel Gewicht. In dieser Hinsicht fällt auch das eigentlich herrlich bergabverliebte Cannondale negativ auf, im Uphill ist es der Konkurrenz sichtlich unterlegen. Ganz anders das leichte und leichtfüßige Radon Skeen: Zwar fährt es sich auf anspruchsvollen Trails nicht so "rund" wie Stumpjumper & Co., es glänzt dafür in Sachen Vortrieb sowie vor allem Ausstattung – und erhält von uns den Kauftipp.

Punkte und Benotung

Alle unsere Biketests bauen auf einem durchdachten Punkteschema auf, das alle wichtigen Fahreigenschaften und Kategorien umfasst. Knapp ein Drittel der Gesamtnote steuern Laborerhebungen wie Gewicht, Verarbeitung und Ausstattung bei. Hauptsächlich ergibt sich die Note aber aus Kategorien wie dem Handling, der Vortriebseffizienz, der Bergab-Performance und dem Fahrwerk. Um einen Eindruck von den Fahreigenschaften zu gewinnen, fahren unsere Tester die Bikes auf einer selektiven Teststrecke und notieren nach jeder Runde ihre Bewertungen.

Die Gewichtung der Kategorie passen wir an die Bike-Gattung an. Die Trailbike-Fullys im Test müssen zum Beispiel besonders gute Allround-Eigenschaften aufweisen. Bei maximal 1000 Punkten ist das Bike mit den meisten Zählern logischerweise der Testsieger.

Trailbike Test 05/2021
MOUNTAINBIKE

Das Spinnennetz

... zeigt, wo die Stärken und Schwächen des Bikes in Relation zum Testumfeld liegen. Je größer der Ausschlag in einer der acht Kategorien, desto prägender der jeweilige Charakterzug. Ein Allrounder weist rundum eine große Fläche, ein Spezialist eine verschobene Grafik auf. Die jeweiligen Eigenschaften wie Up- oder Downhill sind meist gegensätzlich angeordnet. So sehen Sie auf einen Blick, welche Stärken das Bike besitzt. Die Grafik unten rechts zeigt ein eher abfahrtslastiges Bike mit potentem Fahrwerk, weniger wuseligem Handling und zähem Antritt.

Uphill/Vortrieb:

Passt die Traktion? Steigt die Front? Ist die Sitzposition im steilen Anstieg optimal? Ein niedriges Gewicht steigert den Ausschlag im Profil ebenso wie leichte Laufräder und rollfreudige Reifenprofile.

Downhill:

Ein sicheres Handling ist elementar, damit ein Bike bergab gut performt. Die Abfahrtspotenz ist aber auch vom Fahrwerk abhängig. Arbeitet es feinfühlig und schluckfreudig, kommt das Bike souveräner durch ruppiges Gelände. Parts wie das Cockpit, die Reifen oder die Bremsen beeinflussen die Abfahrtsleistung ebenfalls.

Ausstattung:

Sie umfasst nicht die Federelemente, aber die Bremsen, Schaltung, den Antrieb, die Laufräder, die Reifen sowie Anbauteile wie Sattel, Griffe, Cockpit. Aber wir bewerten auch gelungene und innovative Detaillösungen.

Rahmen/Fahrwerk:

Ein top gemachter Rahmen ist die Basis für das perfekte Bike. Wir bewerten ihn in Kombination mit dem Fahrwerk und den Federelementen als Ganzes.

Laufruhe:

Hohe Spurtreue bringt Fahrsicherheit und Präzision speziell im Downhill. Sie kann aber ins Träge kippen, wenn der Profiler bei der Wendigkeit einen geringen Ausschlag zeigt.

Wendigkeit:

Je wendiger ein Bike, desto agiler, spielerischer lässt es sich bewegen. Es lässt aber auf Nervosität in ruppigem Gelände schließen, wenn der Profiler nur in diese Richtung ausschlägt und bei der Laufruhe kaum.

Preis/Leistung:

Wie viel Bike bekomme ich für mein Geld? Wie hochwertig sind die Anbauteile? Kurzum: Wie steht die Endbenotung in Relation zum Preis?

Geringes Gewicht:

Ein niedriges Gesamtgewicht steht in der Regel für ein spritziges, leichtfüßiges, in der Ebene wie im Uphill ausgezeichnetes Bike.

Alle Bikes im detaillierten Test

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Erscheinungsdatum 05.03.2024