Frauen-MTBs: Konzepte von Liv, Juliana, Canyon WMN & Co
Wo liegen die Vorteile eines speziellen Frauenbikes?

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Ja, nein? Jein! Die Frage, ob Mountainbikerinnen spezielle Frauen-Modelle brauchen, beantworten die großen Bike-Hersteller mit geteilter Meinung. Was unterscheidet Frauen- und Herrenmodelle? Wir stellen eine Vielzahl der neuen Bikes vor.

Liv Intrigue
Foto: David Schultheiss

Warum gibt es überhaupt Frauenbikes?

Um diese Frage zu beantworten, haben wir einige Fragen an die Frauenbike-Marken Liv Bicycles (gehört zu Giant) und Juliana Bicycles (gehört zu Santa Cruz) gestellt.

Laut Liv sind Frauenbikes sinnvoll, weil Frauen und Männer Unterschiede in ihrer Anatomie aufweisen. Die von Liv gesammelten Daten zeigen, dass Frauen eine andere Gewichtsverteilung als Männer haben und sich daher auch auf dem Bike anders ausbalancieren. Zudem unterscheiden sich die Körperproportionen: Liv hat einige Studien begutachtet und herausgefunden, dass Frauen häufig einen kürzeren Oberkörper, längere Beine und im Schnitt einen breiteren Sitzknochenabstand haben. Auch die Körpergröße ist entscheidend: Frauen sind oft kleiner als Männer, weswegen auch kleinere Rahmengrößen angeboten werden müssen.

Juliana verweist zur Beantwortung der Frage vor allem auf die Federelemente von Männerbikes. Wenn ein Standarddämpfer verbaut ist, sei die Druckstufe meist zu hart und die Fahrerin erhalte nicht genügend Federung. Auch Komponenten wie Sattel und Griffe sind bei Juliana auf die Anforderungen von Frauen abgestimmt. Ansonsten gibt Juliana an, dass sich ihre Frauen- und Herren Modelle in anderen Aspekten nicht voneinander unterscheiden. So weisen Juliana-Bikes die gleichen Rahmen-Geometrien wie vergleichbare Santa Cruz Modelle auf.

Zusammengefasst liegt der Grund für Frauenbikes also darin, dass sich Männer und Frauen körperlich voneinander unterscheiden.

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Darin unterscheiden sich Frauen- und Männerbikes:

  • Geometrie: kürzerer Reach für kürzere Oberkörper und Arme
  • Niedrigere Überstandshöhe bei kleinen Rahmengrößen
  • Schmalere Lenker / Griffe
  • Anpassung der Bremshebel auf kleinere Hände
  • kürzere Kurbelarme
  • angepasste Federelemente
  • angepasster Sattel
Liv Intrigue Advanced
Liv
Liv Bicycles ist eine Marke von Giant, die sich auf das Entwickeln von Frauenbikes spezialisiert hat.

Warum manche Marken nicht mit dem Trend gehen

Auch wenn das neue Rennrad "Domane" von Trek nicht unbedingt etwas mit Mountainbikefahren zu tun hat, so verkörpert es doch einen interessanten Standpunkt. Das Bike soll nämlich für Mann und Frau gleichermaßen konzipiert worden sein. Damit stellt die US-Amerikanische Firma das Konzept, Bikes speziell für Frauen zu entwickeln, in Frage. Die entwickelte Geometrie soll zu jedem Fahrtyp passen – völlig unabhänig vom Geschlecht. Sind die Unterschiede zwischen Mann und Frau also eventuell genauso groß wie die zwischen Mann und Mann?

Auch Specialized ist nicht von der Notwendigkeit der Frauenbikes überzeugt. Auf Grund der Zusammenarbeit mit dem Bikefitting System Retül hat Specialized Zugriff auf eine große Menge an digitalen Fitting-Daten sowie anthropometrische Zahlen. Diese Datenmenge wird als Grundlage der Bike-Entwicklung verwendet.

Im Zuge ihrer Forschung und der Auswertung von über 8000 Retül-Fitting-Daten fand Specialized laut eigener Aussage heraus, dass zwei männliche Fahrer immensere Unterschiede, als Mann und Frau aufweisen können. Körperproportionen variieren nämlich nicht nur zwischen zwei verschiedenen Geschlechtern, sondern sind auch innerhalb eines Geschlechtes nicht identisch. Daher will Specialized Bikes mit Rahmengeometrien bauen, die allen Fahrern passen sollen – ungeachtet des Geschlechts. In puncto Komponentenauswahl stützt sich das Unternehmen auf die Retül-Erkenntnisse anstatt Unterschiede zwischen Mann und Frau in den Fokus zu rücken.

Dennoch bietet auch Specialized Frauenprodukte an. Es soll nämlich durchaus Komponenten geben, bei denen eine geschlechtsspezifische Anpassung sinnvoll ist. So entwickelten sie beispielsweise den Women’s Power Sattel mit MIMIC Technologie, der den Druck auf das Weichgewebe verringern soll. Auch im Bereich der Handschuhe will Specialized Unterschiede zwischen Mann und Frau ausfindig gemacht haben. Daher gibt es die Fahrradhandschuhe als Männer- und als Frauenvariante.

Liv Intrigue
David Schultheiss
Das Intrigue 2 von Liv wurde speziell für Frauen entwickelt.

Wie reagieren Frauen auf Ladybikes?

Liv Projektmanagerin Judith Schäfer sagt dazu: "Viele Frauen kommen mit Männermodellen prima zurecht. Aus eigener Erfahrung kann ich jedoch von Test-Events berichten, dass viele Frauen erstmal skeptisch gegenüber den Bikes sind, dann aber mit einem breiten Grinsen zurückkommen und total begeistert festgestellt haben, dass sie mit einem Liv Bike eben doch besser zurechtkommen. Außerdem bekommen wir auch oft Komplimente für die Optik der Bikes, die für Frauen ja durchaus auch eine Rolle spielt."

Für Juliana Bicycles ist der Unterschied zwischen Männer- und Frauenbikes nicht so groß. Während Juliana als Frauenmarke etabliert ist, wird Santa Cruz nicht als reine Herren-Marke angesehen. Daher, so sagt Produktmanager Sebastian Tegtmeier, landen Frauen bei ihrer Suche auch nicht direkt bei den "Frauenbikes" und greifen auch zu den Männermodellen.

Zudem gibt es auch durchaus Frauen, die ohne Frauenbike gut zurechtkommen – darin sind sich beide Marken einig. Wenn der Frau die auf den weiblichen Körper angepassten Komponenten nicht fehlen, ist sie daher auch nicht auf ein Ladybike angewiesen.

Bekannte Firmen mit Frauensortiment

KTM Glory

KTM bringt für 2020 eine eigene Damen-Serie auf den Markt. Bei den Ladybikes sind Kontaktpunkte wie Sattel und Griffe speziell auf die weibliche Anatomie angepasst. Zudem sind die Räder auch in Rahmengröße XS erhältlich.

Zur besseren Unterscheidung erhalten die Damen-Modelle den Namenszusatz Glory und kommen in anderen Rahmenfarben.

Das Scarp Myroon Glory ist das neue Frauen-Race-Bike von KTM, das KTM Prowler Glory hingegen ist in die Kategorie "Trail-Allrounder" einzuordnen. Auch das Scarp MT, Cross-Country-Bike gibt es ab 2020 als Frauenvariante.

Drei neue E-Bikes hat KTM auch im Sortiment: das KTM Macina Lycan Glory und das KTM Macina Team 292 Glory im hochpreisigen Bereich und das KTM Macina Race Glory als Einsteigermodell.

KTM Scarp MT Glory
KTM
Große Marken wie KTM bieten ausgewählte Männermodelle in Frauenvarinate an, so auch das KTM Scarp MT Glory.

Canyon WMN

2019 bringt Canyon drei neue Women-Hardtails auf den Markt, das Grand Canyon WMN AL SL 7.0, das Grand Canyon WMN AL SL 8.0 und das Grand Canyon WMN AL SLX 9.0.

Neben diesen Modellen bringt Canyon zudem das All-Mountain-Frauenbike Spectral WMN AL und das Downhillbike Torque WMN AL 5.0. Auch in der Kategorie Cross Country werden Frauen nun mit dem Hardtail Exceed WMN CF SLX 9.0 fündig. Im E-Bike-Bereich findet zudem das E-Mountainbike Neuron:ON WMN 6.0 Platz im Sortiment.

Alle Modelle der WMN-Reihe verfügen über eine speziell für Frauen entwickelte Geometrie und Ausstattung.

Die Grand Canyon WMN AL-Bikes entwickelte Canyon beispielsweise mit kleinerer Rahmengröße (2XS-M), angepasstem Stack und Reach, passender Kurbellänge und abgestimmten Lenker- und Vorbaudimensionen. Auch die Laufradgrößen sollen auf die weibliche Geometrie zugeschnitten sein, indem für die Frauen ausschließlich eine 27,5-Zoll-Variante zur Verfügung steht.

Scott Contessa

Auch Scott hat eine eigene Damenlinie: Contessa. Die Contessa-Bikes sollen auf die weibliche Geometrie angepasst sein und den Damen so ein besseres Fahrgefühl ermöglichen als die Herrenvarianten.

Die Contessa-Linie beinhaltet sowohl Hardtails als auch Fullsuspension-Bikes. Als Hardtails kommen die Räder Contessa Scale 90 und 920, die im Bereich der Cross-Country-Bikes anzusiedeln sind. Das Fully Contessa Randsom 90 hingegen ist für den All Mountain-Einsatz konzipiert. Als weiteres Fully bringt Scott das Contessa Spark 920.

Cube Access WS

Cube Sting WS
Cube
Das Cube Sting WS beim Actionshooting 2020.

Genauso wie Scott, Canyon und KTM hat auch Cube zwei Mountainbike-Frauen-Serien im Angebot: die Access WS und die Sting WS. Bei der Access-Reihe handelt es sich um Hardtails, die Sting Serie umfasst die Fullys.

Alle Bikes der WS-Serie sollen nicht nur optisch auf Frauenwünsche abgestimmt sein, sondern wurden laut Hersteller auch in Sachen Passform, Funktionalität und Komfort von Profiathletinnen und Feierabend-Bikerinnen getestet und angepasst.

Cannondale

Mit den Modellen F-Si Carbon Women’s und Habit Carbon Women’s steigt auch Cannondale in den Frauenbike-Markt ein. Das F-Si ist ein raciges Hardtail, das Habit ein Tourenfully.

Alles für die Frau

Liv

Die Untermarke Liv von Giant hat sich darauf spezialisiert, Fahrräder für Frauen zu konzipieren. Auch 2020 kommen wieder neue Bikes auf den Markt. Liv Pique 29, Pique 29 Pro 0 und Pique 29 Pro sind neue Damen-Racefullys von Liv. Alle drei Modelle sind in den Größen XS bis L erhältlich und für Frauen mit einer Körpergröße zwischen 143 und 183 cm konzipiert.

Neben der Pique-Serie sind zudem die Trailfully-Reihen Intrigue und Embolden Teil des Liv-Sortiments. Intrigue 1, 2 und 3 sollen vor allem für Singletracks im Grünen geeignet sein. Genauso wie bei der Pique-Reihe gibt es auch hier eine Premiumvariante, das Intrigue Advanced Pro. Das Embolden ist auch ein Trail-Fullsuspension-Bike, kommt aber mit geringerem Federweg und günstigerem Preis.

Auch im Enduro-Bereich hat Liv zwei Modelle zu bieten, das Hail und als Premiumvariante, das Hail Advanced. Genauso wie die anderen Bikes sind auch diese Räder auf weibliche Anforderungen angepasst.

Die Intrigue- und die Embolden-Bikes sind zudem als E-Mountainbikes erhältlich. Das Embolden E+ ist ein Trail-E-Bike, das mit Schutzblechen und einem Fahrradständer zum alltagstauglichen Begleiter umfunktioniert werden kann. Das Intrigue E-Bike E+ Pro ist ein E-Fully, spezialisiert auf Trail-Fahrten.

Liv
Auch im E-Bike-Bereich stellen die Marken Damenbikes vor. Liv bietet zum Beispiel das Intrigue E+Pro.

Neben diesen E-Bikes bietet Liv eine weitere E-Trailbike-Serie an, die Valle E+ Serie. Preislich liegen diese Hardtails unterhalb der beiden anderen E-Bike-Reihen.

Bei der Entwicklung der neuen Liv-Modelle kommt der Liv 3F-Designprozess zum Einsatz. Dieser Prozess ermittelt aus über tausend Datensätzen Infos zur weiblichen Anatomie, zu den Größenvariationen und zur Energieverwertung aus der Muskelkraft. Diese Daten fließen dann in die Entwicklung der Bikes ein.

Bei der Pique-Reihe hatte zudem die von Liv gesponserte Profi-Athletin Kaysee Armstrong Mitspracherecht, die das Bike Probe fuhr: "Ich bin zum ersten Mal in diesem Frühjahr auf dem Sea Otter Festival in Kalifornien einen Pique 29 Prototypen gefahren – seitdem bestreite ich all meine Rennen darauf. Ich bin unglaublich beeindruckt von der Performance des Bikes. Es passt mir perfekt und bietet mir optimales Handling. Das neue Pique 29 ist das direkteste rennorientierte Bike, auf dem ich jemals unterwegs war – es vereinfacht mir meinen Job in jedem Gelände. Mit seinen 29 Zoll Laufrädern, seinem ultraleichten Design und allerlei anderen High-Performance Features, läutet dieses Bike wirklich ein neues Zeitalter im Rennzirkus ein."

Juliana Bicycles

Juliana Bicycles ist die Frauenbike-Marke von Santa Cruz. Bei der Konzeptionierung der Bikes möchte die Marke vor allem Fokus darauf legen, dass die Frau sich auf ihrem Bike wohlfühlt.

2020 bringt Juliana vier neue Fullsuspension-Damenbikes auf den Markt. Das Joplin kommt in der Kategorie Cross Country, das Roubion gilt als All Mountain/Enduro-Bike. Im Trail-Bereich stellt Juliana die Modelle Furtado und Maverick, wobei das Maverick auch im Bereich All-Mountain angesiedelt werden kann.

Juliana Maverick
Juliana
Die Frauenbikes von Juliana sind an Bedürfnisse von Frauen angepasst, so auch das Maverick (Bild).

Auf Basis einer eigenen Studie hat Juliana herausgefunden, dass Frauen im Schnitt 3 cm kleiner als Männer sind und auch 5 kg weniger wiegen. Die Frauenbikes sollen auf diese Unterschiede angepasst sein und so eine ideale Fahrradgeometrie für Frauen schaffen. Laut Hersteller passen die Juliana-Damenbikes Frauen über verschiedenste Größen hinweg. Zudem sollen sie vor dem Launch ausgiebig von Frauen getestet werden.

Auch in puncto Federung setzt Juliana auf Tests. Denn eine Federung, die auf Männer eingestellt ist, passt laut Hersteller meist nicht zu den Ansprüchen der Frau. Im Durchschnitt wiegen Frauen bei gleicher Größe weniger als Männer. Wenn sie mit der gleichen Rahmengröße fahren wollen, müssen sie etwas Luft aus dem Federelement lassen. Daher werden die Federungen der Juliana-Bikes direkt auf Frauen angepasst. Dämpfer-Setup, Kettenblattgröße, Sattel und Griffe richten sich auch nach den weiblichen Anforderungen.

Schönes Add-On: Der Rahmen der Juliana-Bikes verfügt laut Hersteller über eine lebenslange Garantie. Auch wenn der Besitzer bei einer Nicht-Garantie-Situation einen Schaden am Rahmen erleidet, soll er kostengünstige Ersatzteile der Firma erhalten.

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Erscheinungsdatum 02.04.2024