Nabenstandard: Was verbirgt sich hinter Boost?
Lukas erklärt: Boost-Standard

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Seit vier Jahren hat sich mit „Boost” ein neuer Naben-Standard in der MTB-Welt etabliert. Unser Redakteur Lukas Hoffmann erklärt, warum.

MB 0419 Lukas erklärt Boost Teaserbild
Foto: Gustavo Enzler

Zeitreise ins Mountainbike-Jahr 2015: 29„-Bikes haben endgültig ihren Durchbruch geschafft, und bei den 27,5“ Laufrädern werden die Reifen immer breiter. Sogenannte 27,5-Plus-Bikes mit 2,8„ breiten Schlappen sind der Trend des Jahres. Gleichzeitig beklagen sich viele Biker über zu geringe Steifgkeiten der 29“-Laufräder. Zudem stehen die Ingenieure vor einem Dilemma: Um Platz für die großen oder breiten Räder zu schaffen, müssen die Bikes lang ausfallen – und fahren sich dann eher behäbig, lassen Spieltrieb vermissen. Die Alternative ist nicht besser, hält man den Hinterbau dennoch kompakt, wird es in Sachen Reifenfreiheit an der Kettenstrebe (zu) eng, speziell bei matschigen Verhältnissen.

Mehr Breite = mehr Steifgkeit

Trek bringt mit Schaltungshersteller Sram die Lösung: den Boost-Standard, durch den Vorder- und Hinterradnaben breiter werden. Statt wie bisher vorne 100 mm und hinten 142 mm, wächst die Achsbreite auf 110 vorne und 148 mm hinten. Das klingt nach wenig und stößt bei vielen Bikern zunächst auf Unverständnis. Motto: „Nicht noch ein neuer Standard!“ Die 5 mm Zuwachs vorne und 3 mm hinten auf jeder Nabenseite machen sich aber im Einspeichungsprozess der Laufräder bemerkbar. Der Winkel am Nabenflansch, also wo die Speiche die Nabe verlässt und bis zum Nippel bzw. der Felge verläuft, ist nun flacher. Dadurch können die Laufräder Querkräfte besser aufnehmen, sind speziell in Kurven steifer. Unser MOUNTAINBIKE-Prüfstand bestätigt die Theorie in Teilen: Manche Boost-Laufräder sind um 20 Prozent steifer als vergleichbare„Non-Boost“- Sätze, bei anderen Modellen ist der Unterschied geringer. Die wahren, zunächst unerkannten Vorteile von Boost liegen eh in anderen Bereichen: Mit der Vorderradnabe wächst auch der Abstand der Federgabelholme, mehr Reifenfreiheit an der Front ist die Folge. Vor allem gewinnen die Entwickler am Heck mehr Platz, auch weil die Kettenlinie durch Boost um 3 mm nach außen wandert und die Kette dadurch mehr Abstand zum Reifen bekommt.

Erneut: Das klingt wenig, es sind aber – zusammen mit dem immer häufigeren Verzicht auf einen Umwerfer – die entscheidenden Millimeter, um die Kettenstreben so kurz zu halten wie aktuell üblich. Selbst 29„-Fullys kommen heute teils mit 430 mm aus, vor Boost waren um 450 mm üblich. Resultat ist ein agileres, verspielteres Fahrverhalten, Laufruhe und Spurtreue holen die neuen Geometrien über flache Lenkwinkel und lange vordere Rahmendreiecke

Video: Das steckt hinter dem Boost Standard

Kann man Boost nachrüsten?

Viele alte Laufradsätze lassen sich mit einem Adapter auf den neuen Standard, also für neue Rahmen, passend machen. An der Bremsaufnahme wird dafür ein Spacer aufgebracht, und es müssen längere Bremsscheibenschrauben verbaut werden. Am Hinterrad bieten viele Hersteller verlängerte Achsendkappen an. Die Laufräder müssen anschließend neu zentriert werden, damit sie mittig im Rahmen sitzen. Ein Rahmen ohne Boost hingegen ist ein größeres Problem: Viele Hersteller bringen Gabeln und Naben nur noch in Boost-Breite auf den Markt. Weiterhin passen Kurbeln und Innenlager in alle Rahmen. Bei Einfach-Antrieben ist nur ein neues Kettenblatt nötig, um einen schrägen Kettenlauf zu vermeiden. Boost kann seine Vorteile aber nur ausspielen, wenn alle verbauten Teile darauf optimiert sind.

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Erscheinungsdatum 02.04.2024