Schmerzen beim Mountainbiken
So können Sie endlich schmerzfrei Biken

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Die Hände schlafen ein, der Nacken schmerzt? Wir haben Florian Geyer vom Radlabor Freiburg gefragt, wie Mountainbiker ihre häufigsten Probleme lösen können. Plus: Tipps vom Profi­-Physio!

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Foto: © tokamuwi / PIXELIO

Allzu oft wird die Freude am Biken von nervigen Zipperlein getrübt: Dieser Trail könnte so Bock machen – wenn der Zeigefinger nur nicht eingeschlafen wäre. Die Aussicht im Anstieg ist atemberaubend – leider ist es der schmerzende Rücken auch. Die Problemzonen heißen in diesem Fall nicht Bauch, Beine, Po, sondern Rücken, Hand, Hintern. Die unheilige Dreifaltigkeit sorgt für unbequemen Sitz und verkürzte Touren, oft verbunden mit "Nachwehen" wie Rückenschmerzen im Alltag. "Dein Hintern gewöhnt sich schon dran" war früher oft der wenig hilfreiche Ratschlag der Bikerkollegen, wenn man wie auf (im wahrsten Sinne des Wortes) rohen Eiern durch den Wald kullerte: Vorsicht, nur nichts kaputt machen. Schmerzen müssen aber nicht sein. Für die meisten Probleme gibt es Lösungen: Ein Bikefitter kann Mensch und Maschine so aufeinander einstellen, dass Haltungsschäden vermieden werden. Hersteller von ergonomischen Bikeparts wie Sätteln, Lenkern und Griffen lösen Druckspitzen auf und sorgen für eine gute Haltung. Ein Physiotherapeut kann Übungen empfehlen, die auf dem Bike stark beanspruchte Körperregionen stärken oder mobilisieren. Diese drei Möglichkeiten kosten allerdings zunächst eine Stange Geld. Einige kleinere Veränderungen kann man auch zu Hause ausprobieren: "Umsonst und draußen" sozusagen. Bikefitting-Profi Florian Geyer, Leiter des Radlabors in Freiburg, beantwortet die häufigsten Fragen zu schmerzenden Körperteilen, erklärt, woher die Schmerzen kommen, und nennt mögliche Wege, die Probleme zu lindern. Wenn Sie dies zu Hause selbst ausprobieren: Führen Sie jede Veränderung schrittweise durch. Das gilt sowohl für die einzelnen Maßnahmen (z. B. Sattel niedriger stellen, kürzeren Vorbau montieren) als auch innerhalb dieser (Sattelhöhe schrittweise niedriger stellen). So sehen Sie, welche Maßnahme Ihnen hilft. Denn Schmerzen beim Biken müssen nicht sein.

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Schmerzen beim Mountainbiken: Unterer Rücken

Der untere Rücken, also der Bereich der Lendenwirbelsäule, ist besonders an fällig für Schädigungen und Ver letzungen. Die Muskulatur dort ist mit vielfältigen Halteaufgaben betraut, sie gleicht beim Rad fahren ständig kleine Bewegungen und Schläge aus. Dafür muss sie stark sein: Je stärker Ihre Rücken- und Bauchmuskulatur sind, desto mehr schützen sie Ihre Wirbelsäule.

Was kann ich ändern?

Nicht nur eine schwache Muskulatur, auch eine ungünstige Stellung des Beckens und des Lendenwirbelbereichs verursacht Schmerzen im unteren Rücken. Wollen Sie etwas an Ihrer Sitzposition verändern, versuchen Sie es hierarchisch in dieser Reihenfolge: Zunächst schieben Sie den Sattel weiter nach vorn. Außerdem können Sie die Sattelspitze leicht abkippen oder die Sitzlänge verkürzen (Vorbau), um als letzte Maßnahme den Lenker höher zu stellen.

Eingeschlafene Hände beim Mountainbiken

Wenn die Finger taub werden, kann das an zwei Dingen liegen: Die erste Möglichkeit ist, dass die Sitzposition den Medianus-Nerv reizt. Der mittlere Handnerv verläuft zwischen den Knochen und Sehnen(-scheiden) des Handgelenks hindurch und versorgt die ersten drei Finger der Hand: Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger (außerdem eine Seite des Ringfingers). Wird er aufgrund einer ungünstigen Handhaltung gequetscht, führt dies zu Reizerscheinungen und Schädigungen, die auch unter dem Namen Karpaltunnelsyndrom bekannt sind. Taube Ringfinger und kleine Finger haben eine andere Ursache. Sie werden vom Ulnar-Nerv versorgt, der seinen Ursprung zwischen Hals- (HW7) und Brustwirbel (BW8) hat und sich über den Ellenbogen (Stichwort "Musikantenknochen") bis zum Kleinfingerballen zieht. Taube Finger können also mehrere Ursprünge haben: Probleme im Schulter- und Nackenbereich oder dem Ellenbogen.

Was kann ich ändern?

Es ist wahrscheinlich, dass Ihre Sitzlänge und Lenkerhöhe nicht miteinander korrespondieren. Versuchen Sie, aufrechter zu sitzen. Um dies zu erreichen, probieren Sie zum Beispiel einen kürzeren Vorbau aus und bringen Sie durch das Umdrehen des Vorbaus den Lenker höher. Das Umschichten von Spacern unter dem Vorbau ist eine weitere Maßnahme. Es gibt spezielle ergonomische Griffe, die das Handgelenk unterstützen und den Druck, der auf dem Handballen lastet, auf einer breiteren Fläche verteilen. Auch beim Lenker selbst können Sie auf eine neue Form setzen: Eine ergonomische Kröpfung bringt die Hand in eine natürliche Haltung. Achten Sie in jedem Fall darauf, dass Sie die Ellenbogen nicht starr durchstrecken, sondern locker beugen und mitfedern lassen.

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Druckstellen/Reibungen beim Mountainbiken am Gesäß

Zu viel Druck auf einer zu kleinen Fläche, und dann werden auch noch Bewegung und Schweiß Teil der Gleichung: So entstehen Druckstellen und Hautreizungen. Welche der Gleichungsbestandteile Ihnen Potenzial zur Linderung bieten, wissen Sie wahrscheinlich selbst am besten: Sitzen Sie unruhig im Sattel, sorgt das für viel Bewegung. Ein passender Sattel in der richtigen Breite, plus die korrekte Sitzlänge, sorgt für Ruhe.

Was kann ich ändern?

Auch sprichwörtlich "weichere" Faktoren haben einen großen Einfluss: Fahren Sie immer in derselben alten Hose mit durchgesessenem Polster und sowieso nie mit Sitzcreme? Dann wissen Sie ja, was Sie ändern können. Probieren Sie ruhig verschiedene Hosen-Modelle und -Größen an, bis Sie eines gefunden haben, das sitzt. Das Gleiche gilt für Sättel: Man kann pauschal nicht eine Art von Sattel empfehlen. Leihen Sie sich ein paar verschiedene bei Freunden aus und horchen Sie in sich hinein.

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Taubheitsgefühle Genetalien beim Radfahren

Probleme mit "eingeschlafenen" Genitalien können im schlimmsten Fall chronisch werden. So weit sollte es nicht kommen! Ähnlich wie bei normalen Druckstellen wird zu viel Druck auf eine kleine Fläche ausgeübt – nur diesmal trifft es die im Gesäß­ und Dammbereich verlaufenden Nerven und Blutgefäße, und nicht die Haut. Werden die Nerven über längere Zeit gereizt, kann das Taubheitsgefühl sogar zu einer chronischen Schädigung werden. Das sollten Sie unbedingt vermeiden!

Was kann ich ändern?

Die perfekte Sattelhöhe ist meist niedriger, als viele Biker denken. Ist Ihr Sattel zu hoch, können Sie ihn in Millimeter-Schritten nach unten versetzen. Um den Druck auf dem Sattel besser zu verteilen, hilft es oft, aufrechter zu sitzen. Dafür können Sie den Sattel etwas nach vorn schieben und die Sattelspitze etwas nach unten kippen. Sattel mit Mulden und Aussparungen ent lasten den Dammbereich, "verlagern" den Druck dafür aber auf andere Bereiche. Probieren Sie aus, womit Sie am besten klarkommen. Auch die korrekte Sattelbreite hat einen großen Einfluss: Lassen Sie Ihre Sitzbreite in einem guten Fachhandel oder bei einem Bikefitter vermessen. Sättel gibt es meist in mehreren Breiten.

Nackenschmerzen beim Mountainbiken

Das Zusammenspiel von Nacken- und Halsmuskulatur, Wirbelsäule und Nerven ist hochkomplex. Bedingt durch diese Komplexität ist es pauschal schwer zu sagen, woher Ihre Schmerzen stammen und ob überhaupt das Rad fahren als primäre Ursache herhalten muss. Ein paar Veränderungen helfen aber in den meisten Fällen: Zunächst kann das Mobilisieren und Stärken der Rücken- und Nackenmuskulatur Linderung bringen. Übungen finden Sie nicht nur online und in Büchern, auch die Krankenkassen stellen gern Infomaterial für die Volkskrankheit Rückenschmerzen bereit.

Was kann ich ändern?

Sitzen Sie sehr gestaucht auf dem Rad? Ist Ihr Lenker zu tief und Ihre Sitzlänge zu kurz? Dann versuchen Sie, mit einem geraderen Rücken zu sitzen. Sie können einen längeren, positiven Vorbau montieren oder, falls möglich, den Sattel nach hinten verschieben.

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Erscheinungsdatum 05.03.2024