Worin liegt der Unterschied zwischen sündteuren High-End-Gabeln und Modellen der abgespeckten Mittelklasse? MB prüfte neun aktuelle Race-Gabeln mit 100 Millimeter Federweg.
Worin liegt der Unterschied zwischen sündteuren High-End-Gabeln und Modellen der abgespeckten Mittelklasse? MB prüfte neun aktuelle Race-Gabeln mit 100 Millimeter Federweg.
Ein Traum! Ob Wurzelteppich oder Steilstufe, feinfühlig tänzelt das Bike mit Topspeed über jedes Hindernis und schluckt dabei souverän sowohl grobe als auch feine Stöße. Und im Wiegetritt? Kein Problem, der neue Lockout verhindert lästiges Wippen und spart dadurch Körner für den bevorstehenden Anstieg. Kommt unvermittelt ein heftiger Stoß, öffnet das Blockiersystem und schützt Fahrer wie Material vor Überlasten. Genial, das neue Bike bietet nicht nur mehr Spaß auf dem Trail, sondern wiegt auch ein halbes Kilo weniger. Doch Moment mal! Nicht das Bike ist neu, lediglich die alte Federgabel wurde gegen eine neue ersetzt.
Federgabeln gibt es schon seit vielen Jahren – zwischen damals und heute liegen allerdings Welten. Bessere Materialien, optimierte Dämpfungssysteme und neue konstruktive Detaillösungen machen die Forken immer leichter, immer steifer und immer effizienter.
Gewicht spielt seit Urzeiten die entscheidende Rolle für die Race-Fraktion. 60 mm Federweg und geringe Steifigkeiten nahmen die Rennfahrer vor gut zehn Jahren in Kauf. Die Zeit vergeht, die Ansprüche steigen. Aktuelle Race-Gabeln spielen auf einem anderen Niveau, bieten satte 100 mm Federweg, wiegen um die 1500 Gramm und glänzen mit wesentlich höherer Steifigkeit. Aktuelle Forken schlucken Bodenunebenheiten mit Leichtigkeit und sorgen für deutlich mehr Effizienz im Vortrieb – genau das bringt die entscheidenden Sekunden im Kampf gegen die Uhr.
"Seit ich mein altes Hardtail mit einer neuen Gabel bestückt habe, vermittelt es ein völlig neues Fahrgefühl", bestätigt MB-Testchef Alexander Walz. Grund genug, sich Gedanken darüber zu machen, was genau für eine Neuanschaffung spricht. Die Hersteller schlafen nicht und entwickeln Neues für Racer und Tourer fast am laufenden Band. DT Swiss etwa sorgte zur Eurobike für Aufruhr: Als Federgabel-Neueinsteiger bieten die Schweizer das komplette Sortiment von Race bis Enduro an und ernteten viele Vorschusslorbeeren. Die Race-Gabel XRC 100 aus Carbon etwa wurde bereits von vielen Herstellern vorab für die Serienradbestückung bestellt – und das, obwohl kaum einer seriennahe Testgabeln vorab fahren konnte.
Manitou schickt die superleichte R7 MRD mit neuem Dämpfungssystem ins Rennen. Die altbewährte Fox F100 indes hat abgespeckt und muss 2008 ohne das Plattformsystem Terralogic auskommen. Insider munkeln, dass Magura mit der neuen Durin ein ganz großer Wurf gelungen ist. Einzig und allein die mit Spannung erwartete SID von Rock Shox, der einstige Inbegriff aller CC-Gabeln, fehlt im Luxus-Testfeld. Grund: Es stand kein serienreifes Modell zur Verfügung. Noch ein Problem: die exklusiven Preise. Der Spaß beginnt bei 650 Euro für die Manitou und endet bei 1000 Euro für die DT. Geht das nicht preiswerter? Aber sicher, wie fünf Race-Gabeln von 340 bis 400 Euro zeigen. Die Frage: Sorgen wirklich nur teure High-End-Gabeln für Fahrspaß und Effizienz auf dem Trail oder halten die Günstig-Forken dagegen?
Die Einbaulänge der Gabel ist meist vom Rahmenhersteller begrenzt und kann den Lenkwinkel erheblich verändern. Probleme gibt es mit Race-Gabeln meist nur bei relativ alten Rahmen, da diese häufig nicht für die Mehrbelastung einer längeren Gabel ausgelegt sind. Neue Gabeln bieten oft nur noch Aufnahmen für Scheibenbremsen. Falls Sie nach wie vor mit Felgenbremse fahren, achten Sie auf vorhandene Bremssockel.
Bei der Verwendung von Scheibenbremsen darf auch der zur Gabel und Disc passende Adapter nicht fehlen. Viele Hersteller bieten so genannte Remote-Hebel an, mit denen der Fahrer die Gabel einfach vom Lenker aus bedient. Viele Racer schwören auf die praktische Schnellverstellung, um das nervige Wippen im Wiegetritt zu verhindern. Achten Sie beim Kauf darauf, dass genügend Platz am Lenker vorhanden ist, um den Hebel ergonomisch befestigen zu können.
Sind die grundlegenden Dinge erst mal klar, geht‘s ins Detail. Welche Gabel erfüllt die individuellen Anforderungen am besten? Muss es die leichteste Gabel sein, oder entscheidet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis? Soll der Stoßabsorber alle erdenklichen Einstellmöglichkeiten bieten oder genügt ein einfaches Setup? Wieso bekommt man für den Preis einer DT Swiss fast drei RST-Gabeln? Alles Fragen, die dieser Test beantwortet.
Spannend wie ein Krimi verliefen die Tests und offenbarten, was die Gabeln wirklich draufhaben. Angefangen mit der neuen DT-Swiss-Carbongabel. Die XRC 100 spricht durch die harmonische Federkennlinie sehr sensibel an. Probleme gibt‘s aber bei sehr schnellen Schlägen. Schlecht gelandete, kleine Sprünge etwa führen dazu, dass die Gabel plötzlich blockiert und dem Fahrer einen Schlag auf die Arme überträgt.
Die Fox F100 RLC bringt etwa 100 Gramm weniger auf die Waage als die Vorgängerin und besticht durch gewohnt hohe Verarbeitungsqualität. Die Kennlinie steigt relativ früh steil an und sorgt für einen sehr hohen Durchschlagschutz. Die starke Progression geht allerdings etwas auf Kosten von Federweg und Komfort. Die Gabel fühlt sich stets straff an und vermittelt das Gefühl, nicht den gesamten Federweg zu nutzen. Neu: Fox ändert die Bremsenaufnahme von IS auf Postmount.
Magura schickt mit der Neuentwicklung Durin eine leichte und hochwertig verarbeitete Gabel ins Rennen. Die deutlich spürbare Druckstufendämpfung verhindert ein extrem feines Ansprechverhalten, sorgt aber unterm Strich für eine harmonische Race-Abstimmung.
Manitou zeigt, wie es geht und fährt mit der superleichten R7 MRD den Testsieg ein. Die Gabel besticht nicht nur auf der Waage, sondern spielt auch auf dem Trail ihre Klasse aus. Feinfühliges Ansprechverhalten und die sehr gute Federwegausnutzung bringen Punkte. Die etwas geringere Steifigkeit war auf dem Trail kaum zu spüren. Hut ab vor den Amerikanern!
Die hochpreisigen Gabeln legen die Messlate hoch, doch auch die günstigen Modelle haben einiges zu bieten. Wieder ist es der Hersteller Manitou, der das Feld anführt. Die R7 Elite wiegt nur knapp über 1500 Gramm und kann es in puncto Performance locker mit den Großen aufnehmen. Die Einsteigergabel Tora 318 von Rock Shox zeigt lediglich beim Gewicht Schwächen. In Sachen Steifigkeit liegt die schwere 318 unangefochten an der Spitze.
RST besticht durch sehr ergonomische Bedienhebel und ein gutes Gesamtsetup. Marzocchis XC 500 ETA besitzt als einzige Gabel im Test eine Absenkvorrichtung, zeigt aber Schwächen beim Setup und im Ansprechverhalten. Die günstige Suntour Axon verliert in Sachen Qualität und Performance klar gegen die High-End-Lösungen. Top: Die preiswerte Gabel bietet Lockout per Remote-Hebel an.
Laborwerte etwa geben klare Auskunft über Steifigkeiten und Gewicht. Der Verlauf der Federkennlinien ermöglicht Aussagen über Ansprechverhalten und Durchschlagschutz. Zusätzlich zu den Messwerten müssen die Gabeln auch auf dem Trail zeigen, was sie können.
Unzählige Testfahrten auf einem definierten Rundkurs decken Stärken und Schwächen schonungslos auf. Die Testfahrer prüfen alle Einstellungsmöglichkeiten im Detail und protokollieren ihre Fahreindrücke. Die anschließende Auswertung aller Faktoren bringt die ganze Wahrheit ans Licht und führt letztlich zum Testurteil.
Federgabeln sind High-Tech-Produkte. Aufwendige Tests und eine Menge an Erfahrung sind Voraussetzung für eine seriöse Bewertung.
Eine Menge an Einflussfaktoren entscheidet, ob eine Federgabel überzeugt oder schlecht abschneidet. Zur Ermittlung der bestimmenden Faktoren testet MB sowohl im Labor als auch in der Praxis.
On Trail:
Die Testfahrten fanden auf identischen Centurion Backfire bei gleichem Reifendruck statt. Das Grundsetup erfolgt zuerst nach Herstellerangaben und wird anschließend individuell vom Fahrer verfeinert. Auf einem definierten Rundkurs jagen die erfahrenen Tester die Gabeln bergauf, bergab, über Steilstufen und Sprünge und notieren ihre gesammelten Fahreindrücke. Sämtliche Einstellungsmöglichkeiten an der Gabel werden auf Funktion und Nutzen getestet. Für neun Gabeln waren die Tester volle drei Tage auf der Test-runde unterwegs. Nach Abschluss des Praxistests folgt die Laborprüfung.
Labor:
Nach der Demontage werden die Gabeln gewogen, bevor sie auf den Steifigkeitsprüfstand kommen. MB unterscheidet Brems-, Seiten- und Torsionssteifigkeit. Eine steifere Gabel sorgt für mehr Lenkpräzision und lässt weniger Antriebsenergie durch die Verwindung der Gabelholme verpuffen.
Kennlinie:
Zur Aufnahme der Federkennlinie komprimiert ein Pneumatikzylinder die Gabel langsam bis zum Anschlag. Die erforderliche Kraft wird über den benötig-ten Federweg in Form eines Diagramms aufgetragen (siehe Abbildung). Die Losbrechkraft gibt die Minimumkraft an, die notwendig ist, um den Einfedervorgang auszulösen. Eine geringe Losbrechkraft spricht für ein feinfühliges Ansprechverhalten. Feld A kennzeichnet den hauptsächlichen Einsatzbereich der Gabel. Eine sehr flache Kennlinie nützt bereits bei kleinen Schlägen viel Federweg.
Ein steiler Verlauf hingegen nützt weniger Federweg – die Belastung für den Fahrer nimmt zu. Bereich B nutzt die Gabel bei einem Durchschlag. Eine zu flache, aber auch eine zu steile Endprogression vermittelt das Gefühl eines abrupten Durchschlags. Arbeitet die Federgabel sehr stark über eine Druckstufendämpfung, wie etwa die Magura-Forke, sind Aussagen auf Basis der Kennlinie allerdings nur begrenzt möglich.
Wichtig, um den Federweg der Gabel optimal zu nutzen. Der Negativfederweg (Sag) ist der Weg, den die Gabel durch das bloße Gewicht des sitzenden Fahrers einfedert. Bei Race- und Tourengabeln sollte der Negativfederweg zwischen 10 und 15 Prozent des Gesamtfederwegs betragen. Am einfachsten funktioniert die Messung über einen Kabelbinder, der am Standrohr befestigt wird (Bild 1). Vorsichtig draufsetzen, absteigen und die erreichte Einfedertiefe der Gabel zwischen Kabelbinder und Staubschutzkappe messen. Den Luftdruck so lange variieren, bis der richtige Wert erreicht ist. Während der Fahrt überprüfen, ob man den vollen Federweg ausnützt bzw. ob die Gabel allzu häufig durchschlägt. Gegebenenfalls den Luftdruck anheben oder absenken.
Regelt die Ausfedergeschwindigkeit der Gabel und lässt sich mit folgendem Trick einstellen: Stützen Sie sich mit vollem Gewicht auf den Lenker, so dass die Gabel tief einfedert (Bild 2). Dann lassen Sie den Lenker ruckartig los (Bild 3). Die Gabel sollte nur so schnell ausfedern, dass das Vorderrad gerade noch am Boden bleibt. Hebt das Vorderrad ab, drehen Sie die Zugstufe um einige Klicks zu. Bei zu langsamem Ausfedern muss die Zugstufe schrittweise wieder öffnen.
Regelt das Ansprechverhalten und die Einfedergeschwindigkeit der Gabel und ist bei manchen Modellen vom Fahrer einstellbar. Ein höhere Druckstufe reduziert energieraubendes Wippen etwa im Wiegtritt oder sorgt dafür, dass die Gabel nicht so schnell durchsackt. Mehr Druckstufe bedeutet aber auch eine höhere Belastung für den Fahrer. Die Druckstufen-einstellung ist deshalb immer ein Kompromiss und von individuellen Vorlieben bestimmt.
Spielt besonders bei Race-Gabeln eine wichtige Rolle. Die Hersteller geben zwar Maximalwerte an, mit einem Praxistest gehen Sie aber auf Nummer sicher. Dazu einfach die Luft aus der Gabel entweichen lassen und anschließend inklusive aufgepumpten Reifen bis zum Anschlag komprimieren. Der Reifen darf die Gabel an keinem Punkt berühren, wie etwa die DT mit einem 2,2" breiten Continental Race King (Bild 4).
Luftfeder:
Nichts weiter als die Luft in der Positivkammer, die sich beim Einfedern der Gabel komprimiert. Gleiches Prinzip wie bei Stahlfedern und Elastomeren. Mit Hilfe einer speziellen Dämpferpumpe lässt sich der Luftdruck aufs Fahrergewicht abstimmen.
Dämpfung:
Dient dazu, auftretende Schwingungen zu reduzieren. In Federgabeln steuert das Dämpfungssystem die Ein- und Ausfedergeschwindigkeit. Dabei strömt meistens Öl durch ein enge Öffnung und wandelt einen Teil der eingebrachten Energie in Wärme um.
Zugstufendämpfung/Rebound:
Jede Feder versucht nach dem Komprimieren, ihre gespeicherte Energie sprunghaft abzugeben. Die Zugstufe regelt dabei die Ausfedergeschwindigkeit der Gabel und verhindert das unerwünschte Nachschwingen.
Druckstufendämpfung/Compression: Die Druckstufe arbeitet parallel zur Luftfeder und bremst das Eintauchen der Gabel. Damit lässt sich einerseits das Losbrechmoment erhöhen und andererseits ein schnelles Durchschlagen der Federgabel verhindern.
Sag/Negativfederweg:
Der Weg, den die Gabel bei statischer Belastung durch den Fahrer (ruhiger Sitz im Sattel) eintaucht. Negativfederweg deshalb, weil er den Weg beschreibt, denn die Gabel, etwa bei Schlaglöchern, noch ausfedern kann. Der Reifen behält so den Kontakt zum Boden und sorgt für genügend Traktion.
Remote:
Bezeichnet alle Bedienelemente, mit denen eine Gabel vom Lenker aus betätigt werden kann. Meist dient es zum Blockieren der Gabel.
Blow-off:
Ist ein Überlastventil, dass die Gabel vor Beschädigungen schützt. Bei gröberen Schlägen im blockierten Modus öffnet das Ventil und gibt den Federweg frei.
Die Ausnahme bildet die Manitou R7 Elite, die mit den teuren Modellen in einer Liga spielt. Aber auch die günstige RST und die Rock Shox Tora folgen mit geringem Abstand. Dreimal so teuer bedeutet nicht dreimal so gut. Wer kein Vermögen ausgeben will, findet bereits für 400 Euro das Richtige. Spielt Geld keine Rolle, stehen die High-End-Modelle mit unterschiedlichsten Stärken parat – von der superleichten R7 MRD bis zur steifen Fox F100. Doch egal ob günstig oder teuer: Wer‘s auf dem Trail so richtig brennen lassen will, den machen die aktuellen Race-Gabeln garantiert zum Speedking.