Jetzt wird in die Pedale gedrückt! MB nahm 17 edle Cross-Country- und Marathonfullys unter die Lupe. Und „erfuhr“ Überraschendes.
Jetzt wird in die Pedale gedrückt! MB nahm 17 edle Cross-Country- und Marathonfullys unter die Lupe. Und „erfuhr“ Überraschendes.
Siedendheiß brodelt das Blut durch die Adern, die brennenden Muskeln zum Bersten gespannt, der fiebrige Blick gebannt auf den Trail – ja, Biken mit Highspeed macht einfach Laune. Und das nicht nur im (Profi-)Rennen, sondern stets dann, wenn einen die Vollgas-Sinne jucken!
Nur gut, wenn dieser Laktat-Tango auf dem perfekten Untersatz „abgeht“ – so wie auf den 17(!) edlen Racefullys in diesem MB-Test: berauschende 10 Kilo leicht, mit wuseligem Cross-Country-Handling und effizientem, aber dennoch traktionsstarkem 100-mm-Fahrwerk. So zumindest die Wunschvorstellung, der die Sportspunde möglichst nahe kommen sollten.
Dabei: 15 Carbonbikes vom noch ofenfrischen Neuling Haibike Sleek bis zum Evergreen Scott Spark – aber auch zwei Aluräder, die ihr höheres Rahmengewicht mit edlen Parts überraschend locker kaschieren. Apropos Ausstattung: Auch drei traditionell erstklassig bestückte Versenderbikes lud MB zum Test – mit den bekannten Vor- und Nachteilen des Direktvertriebs.
Doch wen sprechen diese Rasseräder wirklich an? Nur den Hardcore-Racer? Nein! Wer saftige 4000 bis 5000 Euro in sein vollgefedertes Traumrad investiert, will dieses zumeist nicht nur an den spärlichen Rennwochenenden, sondern auch im täglichen Biker-Leben genießen. Breitbandigkeit heißt für Hobbyracer die Devise – auch für die getesteten, oft direkt von den Teambikes der Profis abstammenden Supersportler.
Klar, keiner erwartet von diesen Flitzern die Bergab-Brachialität eines All-Mountains, und der rennsportliche Charakter muss selbstredend im Fokus stehen – aber ein gerüttelt Maß an Alltagstauglichkeit und Robustheit sollte schon sein, schließlich treten Heerscharen mit genau diesen Fullys die beschwerlichen Alpencross-Pfade gen Riva an.
Umso passender, dass der Praxistest im alpinen Gelände des Vinschgaus stattfand. Auf einem bergauf wie -ab äußerst selektiven Kurs, der zum einen arg magersüchtige Parts wie die 140er-Bremsscheibe im Specialized-Heck entlarvte. Und der zum anderen auf geradezu frappierende Weise zeigte, welches Handling sperrig, welches punktgenau, welcher Hinterbau traktionsstark, welcher leblos ist.
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Wer hier nicht auf seine Vollgas-Kosten kommt, hat bei der Fitness, nicht beim Material geschludert. Die Unterschiede zwischen den Testbikes sind marginal, dennoch spürbar: beim Gesamtgewicht und speziell, trotz Einheitsreifen, bei den Laufrädern.
Fast ein Kilo liegen zwischen den leichtesten (Radon) und den schwersten (Rotwild) rotierenden Massen – bei Sprintattacken ein echter Klotz am Bein und somit effektiver Ansatzpunkt für den Tuning-Hebel.
Doch auch der Rest der Parts lässt vielfach Raum zum Geldausgeben. Wer glaubt, sich ab 4000 Euro automatisch in die XTR/X.0-Liga einzukaufen, liegt falsch: Lediglich an den Alurahmen von Bergamont und Radon funkelt Srams neue Topgruppe XX, und nur Canyon, Ghost und Rose bieten XTR-Niveau bis zum Umwerfer. Beim Rest schaltet und waltet ein Komponentenmix, teils aber auch „nur“ eine lupenreine XT-Gruppe – der Rotwild gar noch eine SLX-Kassette unterjubelt.
Geringere Auswirkungen auf das Gewicht, aber gewaltigen Einfluss auf das Handling besitzt die Bestückung des Cockpits: Von der Lenkzentrale alter Schule mit langem Vorbau und 580-mm-Kerzenlenker bis hin zum 690-mm-Ruder reicht die erstaunlich breit gefächerte Palette in diesem Test.
Die MB-Crew lobte jedoch speziell die goldene Mitte wie etwa am Scott oder Specialized: Lowriser mit 9°-Kröpfung, um 650 mm breit, mit Vorbauten nicht über 100 mm. Denn diese von vielen konservativen Racern zu Unrecht belächelten Prügel bieten im anspruchsvollen Gelände à la Vinschgau schlicht die bessere Radkontrolle. Bergab und – für viele wahrscheinlich überraschend – auch bergauf!
Die Begründung liefert die menschliche Mechanik: Bei einer lang gezogenen Sitzposition sind Hüft-, Schulter- und Ellenbogengelenke überstreckt, und der Biker kann seinen Körperschwerpunkt nur noch bedingt verschieben.
Aber genau das erlaubt eine etwas kompaktere Position mit seitlich ausgestellten Armen – steile, technische Kletterpartien gelingen auf verblüffende Weise besser. Eine Erkenntnis, die im Weltcup nicht neu ist: So wählen viele Profis eine kleine Rahmengröße, und breite Lenker setzen sich vermehrt durch.
Auch am Fahrwerk ist der Trend zu mehr Kontrolle und Behaglichkeit ungebrochen: 80-mm-Forken sind längst eingemottet, vier Bikes überschreiten gar den aktuellen 100-mm-Standard: Cannondale und Radon mit 110 mm, Lapierre und Scott mit 120 mm.
Und was bei vielen Racern erst mal allergische Reaktionen auslöst, funktioniert in der Praxis erstaunlich gut – lediglich steilste Stiche bedingen im direkten Vergleich mit den „Tieffliegern“ im Test stärkeren Körpereinsatz. Ungleich gravierender für die Kraxelfreude ist hingegen eine ausgeklügelte Hinterbau-Kinematik.
Schließlich sollte der große Benefit des Fullys gegenüber dem Hardtail der beständige Bodenkontakt des Hinterrads sein – umso enttäuschender, wenn der Hinterbau zwar wippneutral, aber harsch agiert und diesen Vorteil buchstäblich „verbockt“. Dabei ist das Lastenheft durchaus überschaubar: Antriebsneutralität auf allen drei (oder zwei) Kettenblättern ist für ein Fully Pflicht – und das am besten ohne Lockout oder Plattform.
Auch unrhythmisches Pedalieren im Wiegetritt sollte nur mit geringem Pumpen quittiert werden. Dafür muss der Race-Hinterbau gar keine Ausgeburt an Feinfühligkeit sein, sollte Schläge aber dennoch willig verdauen und stets Traktion generieren. Ein Spagat aus Effizienz und Sensibilität, der erstaunlich wenigen Bikes perfekt gelingt. Nur Bergamont, BMC, Specialized und Trek bewerteten alle Tester durchweg ausgezeichnet.
Cannondale, Canyon, Haibike und Storck hingegen enttäuschten. Speziell die drei Erstgenannten verlangten nach extrem hohem Dämpferdruck und/oder nach der zugeschalteten Plattform-Dämpfung, um sich unter Kettenlast nicht deutlich in den Federweg zu saugen – ein straffes Setup, das im ruppigen Gelände jegliche Traktion und somit Kletterperformance und eine Menge Fahrspaß raubt.
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Bei der Federgabel wiegt MB, sofern vorhanden, Remote und Steckachse mit. Das Laufradgewicht ist die Summe aus dem eigentlichen Laufradsatz mit Schnellspanner, Felgenband, Schlauch, Original-Mantel, Bremsscheibe und sämtlichen Schrauben.
Auf EFBe-Prüfständen misst MB die Steifigkeiten der Bikes. Die Tretlagersteifigkeit zeigt, wie sich der Rahmen im Antritt verwindet, die Lenkkopfsteifigkeit beeinflusst die Spurstabilität. Die meisten Bikes liegen im grünen Bereich, nur Rotwild und Trek zeigen schwache Werte. In der Praxis fiel allerdings keines der Bikes den – mit 70 kg jedoch eher leichten – MB-Testern negativ auf.
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