Mehr Sicherheit und Komfort – diese Vorteile von 29"-MTBs gegenüber 26-Zoll-Bikes sind unumstößlich. Doch reicht das für einen Umsturz? MB hat sieben Hardtails mit 29-Zoll-Rädern getestet.
Mehr Sicherheit und Komfort – diese Vorteile von 29"-MTBs gegenüber 26-Zoll-Bikes sind unumstößlich. Doch reicht das für einen Umsturz? MB hat sieben Hardtails mit 29-Zoll-Rädern getestet.
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29-Zoll-Laufräder? Die haben an einem voll geländefähigen Mountainbike nichts zu suchen. Sagen die Deutschen. Anders die Amis: Vor neun Jahren von Bike-Pionier Gary Fisher forciert, sind die Vorteile der Twentyniner-Bikes zumindest in den USA voll anerkannt. Vielen gelten sie sogar als die besseren Hardtails.
In Europa verweigert man sich dem Trend zur Großspurigkeit seit Jahren hingegen standhaft. Weder die erste zarte 29er-Welle vor acht Jahren noch der zweite Anlauf vor drei Jahren hat den europäischen Markt wirklich erreicht. Nennenswerte Absatzzahlen? Fehlanzeige. Doch mit dem jüngsten Engagement vor allem von Branchen-Leitfiguren wie Specialized oder Scott gewinnt das Thema nun vielleicht doch noch an Bedeutung.
Das zeigt auch die Entscheidung des Trek-Konzerns, nun wieder 29er in Deutschland anzubieten. Zum ersten Mal, so scheint es, haben die "Big Wheels" eine echte Chance auf dem alten (Rad-)Kontinent. Auch ein Indiz: Ab der Eurobike werden auch deutsche Marken wie Focus oder Rose das Angebot erweitern.
Anlass genug für diesen Vergleichstest mit sieben aktuellen 29"-Hardtails. Und für den aufwendigen 2D-Datarecording-Test in Ausgabe 7/2010, der das Für und Wider hinter dem 29er-Konzept wissenschaftlich durchleuchtet hat – unterstützt von den Aussagen der Testfahrer und den Auswertungen des hauseigenen Labors. Das Ergebnis: 29"-Laufräder rollen leichter, sind schneller.
Zudem wurde klar: Das größere Laufrad verschluckt sich nicht so leicht an Hindernissen, sondern rollt flüssiger etwa über eine Wurzel. Mehr Fahrkomfort ist der positive Nebeneffekt. Unangenehmen Stoßspitzen nehmen die großen Laufräder den Schrecken, der Fahrer ermüdet langsamer.
Außerdem sind die Bikes im Grenzbereich leichter kontrollierbar, was auch fürs Kurvenfahren gilt – selbst wenn die Testergebnisse 26 und 29 Zoll bei der Kurventraktion gleichauf sehen. Und beim Klettern? In steilen Uphills ist der 29er traktionsstärker und treibt den Fahrer sicher voran.
Die 29er-Schattenseiten zeigen sich – so die exakten MB-Messungen – in Form des höheren Trägheitsmoments der großen 29"-Laufräder, welches wiederum auch auf das deutlich höhere Laufradgewicht zurückzuführen ist. Dazu kommt das etwas schwerere Rahmen-Gabel-Chassis.
Weiteres Minus: Die Tretlagersteifigkeit und die Seitensteifigkeit der Laufräder sind geringer. Fazit der MB-Untersuchung: 29er verdrängen das etablierte 26"-Konzept nicht, sind aber für viele Fahrer die besseren, weil unkomplizierteren Bikes. Sprich: eine echte Alternative!
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Hintergrund: Noch ist der 29er-Markt leicht überschaubar, viele Hersteller haben nur ein oder zwei 29er im Programm. Deshalb entschied die Redaktion, die Fahrqualitäten in unterschiedlichen Preislagen zu testen.
Mit Giant und Scott besetzen zwei tourenlastigere Bikes die Einstiegsklasse, in der teureren Klasse treten rennorientierte Räder wie das Axevo gegen Tourer wie das Marin an. Die bewährte MB-Testrunde fragte Parameter wie Laufruhe, Wendigkeit und Standfestigkeit der Bremsen ab. Nach dem Fahrtest prüfte MB nach EFBe-Standards Tretlager- und Lenkkopfsteifigkeit im Labor.
Prima: Die Steifigkeiten liegen sowohl beim Lenkkopf- als auch beim Wiegetritt-Test im grünen Bereich, sind aber im Mittel am Lenkkopf um 2,5 %, am Tretlager um 23 % niedriger verglichen mit den von MB geprüften 26"-Hardtails in Heft 7/10.
Allerdings: Tatsächlich "weich" fährt sich keines der sieben Bikes, auch wenn sich die geringere Lenkkopfsteifigkeit des Axevo beim abrupten Einlenken in enge Turns in einer minimalen "Schwammigkeit" des Cockpits zeigt.
Jenseits davon bemängelten die Testfahrer weder die geringeren Steifigkeiten im Tretlager noch die spürbar geringeren Laufradsteifigkeiten der Testkandidaten. Ein Problem aber ist all das nicht. Im Gegenteil: Die MB-Tester lobten unisono das komfortable Fahrgefühl. Die Räder fahren sich im Grenzbereich allesamt gutmütig.
Die Einsatzbereiche wiederum lassen sich an Unterschieden in der Geometrie und an den Ausstattungsphilosophien ablesen. Die Hersteller zielen auf eine dem 26-Zöller möglichst ähnliche Wendigkeit der Bikes, ohne charakteristische Wesenszüge der 29er (hohe Laufruhe, souveränes Kletterverhalten) zu gefährden.
Der Blick auf die Geometrien überrascht: Das Giant etwa punktet durch hohe Spurtreue und viel Lenkpräzision. Enge Trail-Turns? Hier läuft das XTC 2 nur verzögert. Der zunächst vermutete lange Radstand bestätigt sich nicht (1085 mm kurz), und auch die Kettenstreben fallen sehr kurz aus (437 mm).
Die fehlende Agilität geht vielmehr auf das Konto des unergonomischen Lenkers. Das zeigt: Die Ausstattung ist mitentscheidend! Fast vorbildlich die Symbiose von Geometrie und Ausstattung am Specialized: Man sitzt angenehm im Rad, hat volle Kontrolle. Der breite Lenker ermöglicht guten Zug und schönen Kraftfluss, hilft so beim Beschleunigen. Die breitbandige 11–36er-Kassette unterstützt dabei, die großen Laufräder in Schwung zu bringen.
Im Downhill ist das Stumpjumper mit tiefem Schwerpunkt leicht zu kontrollieren. Sein Einsatzbereich ist breit definiert: Tour, Marathon, CC-Race – alles geht. Getriebenen Naturells sind auch das Axevo und das Felt, beide allerdings deutlich schwerer und nicht so leicht beherrschbar. An den gemäßigteren Tourenpiloten adressiert: Giant, Scott und Marin.
Obwohl geometrieseitig eine Vortriebsmaschine, platzieren Ausstattung und hohes Gewicht das Rocky stark im Tourenlager.
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Bei der Federgabel wiegt MB, sofern vorhanden, Remote und Steckachse mit. Das Laufradgewicht ist die Summe aus dem eigentlichen Laufradsatz mit Schnellspanner, Felgenband, Schlauch, Original-Mantel, Bremsscheibe und sämtlichen Schrauben.
Auf EFBe-Prüfständen misst MB die Steifigkeiten der Bikes. Die Tretlagersteifigkeit zeigt, wie sich der Rahmen im Antritt verwindet, die Lenkkopfsteifigkeit beeinflusst die Spurstabilität. Auf gesundem Niveau präsentieren sich die Tretlagersteifigkeiten, wobei das Rocky hier die Spitze markiert. Die geringe Lenkkopfsteifigkeit des Axevo ist noch im grünen Bereich, kostet aber Punkte.
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Größere Rahmendimensionen bedingen längere Züge und erfordern eine überlegte Zugverlegung. Gut umgesetzt ist sie am Unterrohr des Axevo. Aber: Der Umwerfer-Schaltzug liegt frei.
Der Lenker von Felt konnte die MB-Tester mit seiner geringen Kröpfung und der großzügigen Breite überzeugen. So sind vorderes Laufrad und Bike auch in technischen Passagen gut manövrierbar.
Die am Nail Trail 29er der Kalifornier frontseitig verbaute Scheibenbremse Avid Elixir CR verblüffte einmal mehr mit top Hebelmodulation und viel Power trotz der zu kleinen 160er-Disc.
Viel Alu-Fleisch zeigen die Taiwaner in Gestalt des sich konisch verjüngenden Steuerrohres am Lenkkopf des XTC 2 29. Lohn der Mühe ist die höchste Lenkkopfsteifigkeit dieses Testfelds.
Der Vorbau der Entwickler aus Morgan Hill erlaubt mit geringem schrauberischen Aufwand die Winkelanpassung des Cockpits an die eigenen Körpermaße und individuellen Vorlieben.
Die Kanadier verbreitern das Tretlagergehäuse auf 92 mm und implantieren das Innenlager gewindelos – nach Shimanos BB92-Pressfit-Standard. Ergebnis: eine steife Konstruktion.
Ein vorbildlich kurz gehaltenes Steuerrohr wie am Nail Trail hat sich bei 29ern weitgehend durchgesetzt. Es bringt viel Druck auf das Vorderrad und unterstützt so gute Klettereigenschaften.
29er sehen per se komisch und unästhetisch aus mit großen Laufrädern und größerem Rahmen? Beim Stumpjumper sind Laufräder und Rahmenformen elegant miteinander arrangiert.
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Beim Durchfahren eines Schlaglochs taucht ein Laufrad mit großem Durchmesser weniger weit ein als ein kleines (a). Das reduziert einerseits die Schlagintensität, bringt also mehr Komfort, und benötigt andererseits weniger Energie, um das Rad wieder aus der Senke zu heben. Unterm Strich geht weniger Geschwindigkeit verloren.
Trifft der Reifen auf ein Hindernis, muss das Gewicht, das auf dem Vorderrad lastet (FG), mit Hilfe der Antriebskraft (FA) über das Hindernis gehoben werden. Die Antriebskraft erzeugt dazu mit Hilfe von Hebel a ein Moment (FA x a) und dreht dabei das Rad über die Hinderniskante.
Dem wirkt die Gewichtskraft über den Hebel b (FG x b) entgegen. Bei einem größeren Laufrad ändert sich das Hebelverhältnis. Hebel a wächst im Verhältnis zu Hebel b stärker – zum Überwinden des Hindernisses wird also weniger Antriebskraft benötigt. Anders formuliert: Fahrer und Bike werden weniger stark gebremst.
Reifen verformen sich unter Last und erzeugen dabei eine bestimmte Auflagefläche (orangefarbene Ellipse). Am vorderen Ende der Fläche befindet sich die Kippkante (K), die der Reifen während des Abrollvorganges ständig vor sich herschiebt. Die Kippkante wirkt wie ein kleines Hindernis, das andauernd durch Verformung des Reifens überwunden werden muss.
Ähnlich wie in Skizze b erzeugt die Antriebskraft (FA) über den Hebel r ein Moment zum Überwinden der Kippkante, und die Gewichtskraft (FG) wirkt über den Hebel h dagegen. Je größer das Laufrad, umso stärker wächst Hebel r im Verhältnis zu h – das Laufrad rollt mit geringerem Energieaufwand.
Die Auflagefläche ist bei 29"-Reifen gegenüber 26"-Pneus – bei gleichem Luftdruck, Profil und gleicher Breite – etwas schmäler, aber dafür auch länger. Dadurch greifen mehr Stollen gleichzeitig und sollen so – jedoch nur in der Theorie – den Grip erhöhen.
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Die im Labor ermittelten Benefits bestätigen sich auf dem Trail. Der Testsieg geht an das rundum gelungene Specialized.
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