Ein Fully für unter 1800 Euro? Taugt das überhaupt? Auf jeden Fall, wie die Bestseller-Fullys im MB-Test beweisen: zwölf treue Begleiter für den Bike-Alltag!
Ein Fully für unter 1800 Euro? Taugt das überhaupt? Auf jeden Fall, wie die Bestseller-Fullys im MB-Test beweisen: zwölf treue Begleiter für den Bike-Alltag!
Warum testet ihr denn immer so teure Bikes? Eine Leserbrief-Frage, die der MB-Redaktion oft gestellt wird. Nicht zu Unrecht, denn der Testwinter gehört traditionell den Topmodellen der Hersteller. Warum? Weil die Edel-Bikes als erstes aus den Produktionshallen preschen, somit früher für Tester und Kunden verfügbar sind. Und weil sie als Flaggschiffe den Technologienährboden für die folgenden Volumenmodelle bereiten. Als Beispiel dient das Auto: Ohne das Entwicklungspotenzial der Oberklasse wären Golf & Co. noch heute ohne ABS oder EPS unterwegs, wären Crashtests ein Fremdwort.
Aber passt Hightech und Lowbudget zusammen? Zwölf Fullys der Kaufklasse hat MB in diesem Test auf die Ritzel gefühlt, dabei gezielt die beliebtesten Hersteller der MountainBIKE-Leser angefragt. Deren Aufgabe: ihre Bestseller-Fullys bis 1800 Euro zu schicken. Und so strotzt das Testfeld vor alten und lieb(!) gewonnenen Bekannten: Evergreens wie Bergamont Evolve oder Specialized XC. Junge Klassiker wie Centurion Backfire, Canyon Nerve, Cube AMS, Ghost AMR oder Giant Trance. Etablierte Newcomer wie Radon QLT, Red Bull NPL und Stevens Fluent. Bikes, die sich im wahrsten Wortsinne tausendfach bewährt haben. Bikes, die bei der MB-Leserwahl regelmäßig die ersten Plätze belegen.
Kein Wunder, dass sich das Testfeld so quasi von alleine homogenisierte. Bis auf Ghost weisen alle Bikes um 100 mm Hinterbau-Hub auf, auch die Gabeln sind außer bei Cube und erneut Ghost reinrassige "Hunderter". Fullys um 100 mm Federweg – das fungiert in den meisten Katalogen als Marathon-Bike. Aber keine Angst, Sie müssen nicht umgehend zur Leistungsdiagnostik hecheln, um unter den Testkandidaten Ihr Traumbike zu finden. Ganz im Gegenteil, diese Kassenschlager sind wunderbare Tourer und Allrounder, sind wahre "All-Tags-Bikes!" Klar, für verblockte Downhills oder wilde Trail-Manöver gibt es bessere, vor Federweg strotzende Alternativen. Aber davon abgesehen machen diese treuen Kilometerfresser alles mit: von der täglichen Fahrt zur Arbeit über die flotte Sonntagstour bis hin zum Alpencross.
Noch mehr aktuelle Bikes
MB meint: ja! Denn selbst diese eher kurzhubigen Fullsuspension-Bikes spielen ihre Vorzüge "Federleicht" aus. Bergauf klebt das Hinterrad förmlich am Trail, bockt bei Unebenheiten nicht auf und bietet perfekte Traktion: Fullys klettern besser! Bergab stellt der Hinterbau ebenfalls ständigen Bodenkontakt her – das bedeutet maximale Kontrolle und damit Sicherheit sowie Tempo: Fullys machen bergab ganz klar mehr Spaß!
Und sie haben auch in dieser Preisklasse die Nachteile fast eliminiert. Höheres Gewicht? Am Berg "belastend", wenn die Waage wie bei Ghost oder Specialized über 13 Kilo klettert. Doch gerade die exzellent ausgestatten Versender-Bikes von Canyon, FAT und H & S (Radon), aber auch das Cube sind austrainierte Leicht(!)athleten, wiegen nur knapp über oder wie das Radon unter 12 kg. Und sind so maximal ein Kilo schwerer als ein vergleichbar ausgestattetes Hardtail.
Bleibt die Angst vor wippenden Dämpfern und Pedalrückschlag. Zumindest Letzterer ist ein Relikt früherer Fully-Tage. Zwar ist der "Kickback-Effekt" bei Eingelenkern und Hinterbauten mit virtuellem Drehpunkt ("VPP") in bestimmten Situationen spür- und messbar. Aber er stört weder merklich, noch bremst er den Vortrieb. Und auch in puncto Effizienz steckt viel Ingenieurs-Know-how in den Hinterbauten der Kaufklasse: Im Prinzip sind alle Testräder, ob Vier- oder Eingelenker, im Sitzen antriebsneutral. Lediglich bei Wiegetrittattacken oder bei unrundem Tritt speziell auf dem kleinen Kettenblatt schaukeln sich einige Bikes auf.
Allerdings reagieren mehrere Kinematiken auf starken Kettenzug, zum Beispiel an Anstiegen, mit so genanntem Anfahrtsnicken und komprimieren den Federweg. Die Folge: Der Biker sackt weg und nimmt keine optimale Vortriebsposition mehr ein. Als Lösung bleibt, die bei den meisten Fullys vorhandene Plattformdämpfung oder den Lockout einzuschalten. Per se nur ein Griff zum Hebel, gleichzeitig aber ein Zeichen für einen nicht mehr ganz zeitgemäßen Hinterbau.
Noch mehr aktuelle Bikes im Test
Shimanos weniger hübsche, aber funktionale LX-Gruppe hat sich als Klassenstandard etabliert, wird von vielen Herstellern sogar mit einem Schuss "XT" garniert. Dazu übernehmen leicht abstimmbare Luft-Federelemente die Fahrwerkskontrolle, lediglich bei Specialized und Ghost werkeln Stahlfedern an der Front. Tipp: Direkt beim Händler checken lassen, ob die Federhärte zu Ihrem Gewicht passt! Hydraulische Discbrakes sind längst obligatorisch, auch wenn zwischen einer Shimano M485 (Centurion) und einer Avid Juicy 7 (Radon) Brems-Welten liegen. Apropos Welten: Da die Direktvertriebler die Händlermarge einsparen und schärfer kalkulieren können, schwebt die Ausstattung von Canyon & Co. gerade in den günstigen Preisklassen im Vergleich zu den Händler-Bikes in einer anderen Sphäre. Daher trennt MB in diesem Test die vier Versender-Bikes von den acht, die den herkömmlichen Vertriebsweg nutzen.
FAZIT: So viel Mountainbike pro Euro gab es noch nie! Die Bestseller-Fullys tragen ihren Namen zu Recht, das Testergebnis mit überwiegend "sehr gut" bewerteten Rädern spricht für sich. Dabei sind auch die mit "gut" bedachten Fullys tolle Bikes, verspielen meist lediglich mit schlechterer Ausstattung eine bessere Note – das bietet Raum für Tuning, zumal gerade diese Kandidaten zu den günstigsten im Test zählen. Am Ende liegen in der Summe aller Eigenschaften Canyon, Cube, Focus sowie Radon auf den Spitzenplätzen und sichern sich so verdient die begehrten MB-Titel der Testsieger und Kauftipps.
Noch mehr aktuelle Bikes im Test
MB hat für Sie hier folgende Wertungen zusammengefasst: Der Bereich Vortrieb und Uphill umschließt die Noten für Kletterfähigkeit, Effizienz und Gewicht. Beim Preis-Leistungs-Verhältnis ermittelte MB einen Quotienten aus Endpunktzahl und Preis. Die Ausstattung beinhaltet die Bewertung für Parts, Bremsen und Reifen. Apropos: 104 Räder hat MB 2008 bereits getestet. Bei je vier Testern und über ein Dutzend Bewertungskriterien macht das 6000 Einzelnoten!
Noch mehr aktuelle Bikes im Test
Ob Hightech-Fully im Wert eines Kleinwagens oder Hardtail für 500 Euro – für MB gilt: gleiches Recht für alle. Jedes Bike wird mit demselben Enthusiasmus über den Trail gejagt, muss dieselben Prüfungen im Labor bestehen.
Teststrecke: Kern jedes Tests ist die ausgiebige Praxisprüfung auf der MB-Hausstrecke. Die fordert alles ein, was ein modernes Touren-Fully können muss: Schotteranstiege, Kletterpassagen, flowige Trails, aber auch Wurzelteppiche und steile Downhills.
Praxisnoten: Jeder der vier Tester fuhr jedes Rad mindestens ein Mal über den Parcours, urteilte danach auf speziellen Bewertungsbögen in elf Kategorien: Wie effizient ist das Fahrwerk? Wie klettert das Bike? Passen die Parts?
Vermessung: Im Labor zerlegte MB die Bikes, ermittelte Gewichte von Rahmen und Gabel sowie die Geometrie. Die zeigt, ob ein Bike in die Kategorie und zum Fahrer passt.
Steifigkeiten: Auf speziellen Prüfständen misst MB die Steifigkeiten. Die Lenkkopfsteifigkeit beeinflusst die Lenkpräzision, die Tretlagersteifigkeit die Verwindung im Wiegetritt. Beim SG-Index setzt MB die Steifigkeiten mit dem Rahmengewicht in Relation.
Kennlinien: Bei den Kennlinien gibt MB den nutzbaren Hub an. Die Diagramme informieren über den Verlauf der Kennlinien von Federgabel und -bein.
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