Versender oder Fachhändler – wer hat das MTB für Einsteiger, Tourer und Hobby-Marathonisti im Angebot? MountainBIKE prüfte neun Bestseller.
Versender oder Fachhändler – wer hat das MTB für Einsteiger, Tourer und Hobby-Marathonisti im Angebot? MountainBIKE prüfte neun Bestseller.
Neun, neun, neun – unverrückbar markierte die 999-Euro-Grenze in den vergangenen Jahren den Übergang vom breitbereiftem Alltagsrad zum Sportgerät für ernsthafte und langfristige Geländeeinsätze. Oder frei nach Schnulzenkönig Udo Jürgens: „Mit 999 Euro, da fängt das Biken an. Mit 999 Euro, da hat man Spaß daran.“
Doch gilt dies angesichts steigender Preise immer noch? Wie viel Bike bekomme ich im Jahr 2012 für mein Geld? Schließlich „darbt“ die Fahrradindustrie seit rund drei Jahren unter den steigenden Lohnkosten in den asiatischen Produktionsländern, höheren Zöllen und explodierenden Frachtkosten. MB lud daher neun Hardtails zum traditionellen Test der „Tausender“.
Darunter Stammgäste wie die Versender-Bikes von Canyon, Poison, Radon und Rose – sowie fünf Bikes aus dem Fachhandel: Bulls, Carver, Corratec, Haibike und Stevens. Neun Hardtails, die sich – so viel vorweg – bei weitem nicht nur für den Bergrad-Novizen eignen. Größtenteils reicht die Qualität von Rahmen, Federgabel und Parts locker für anspruchsvolle Tagestouren oder gar Wettkampfeinsätze.
Versender oder Fachhandel? Wer vor dem Kauf eines Bikes dieser heiß umkämpften Preisklasse steht, sollte sich eingehend mit den Vor- und Nachteilen (siehe Kasten rechts) der Vertriebswege befassen. Denn das vermeintliche Schnäppchen aus dem Internet wird zur nervlichen und finanziellen Belastung, wenn Reparaturen anstehen – und der nette Händler ums Eck nur mit der Schulter zuckt oder einen gesalzenen Preis für seine Mühen verlangt.
Aber: Handelsmarke ist nicht gleich Handelsmarke. So steckt hinter Bulls die Einkaufsgenossenschaft ZEG mit fast 1000 Niederlassungen, hinter Carver die Großkette Fahrrad XXL, hinter Haibike die Winora-Group. Geballte Vertriebs- und Einkaufs-Power, die diesen Marken eine zumeist weit überdurchschnittliche Ausstattung auf Versender-Niveau ermöglicht.
Service und Beratung im Fahrrad-Großhandel liegen aber nach MountainBIKE-Erfahrungen oft nicht auf dem Niveau eines auf Mountainbikes spezialisierten, kompetenten Bike-Shops. Woran Sie diesen erkennen? Verlassen Sie sich ruhig auf Ihr Bauchgefühl. Sagt Ihnen das allgemeine Angebot zu? Wirkt der Verkäufer fachkundig, nimmt er sich Zeit? Fühlen Sie sich schlicht gut aufgehoben? Dann sind Sie mit Sicherheit auch in Zukunft bei Fragen und Reparaturen ein gern gesehener Gast!
Auch die Versender gehen neue Wege, um ein weniger anonymes Einkaufserlebnis zu bieten. So offeriert Radon Testcenter etwa auf Mallorca oder in Winterberg und kooperiert europaweit mit rund 100 Werkstätten, bei denen der Kunde „mit einem Radon-Rad gerne gesehen ist“.
Nach jedem Run beurteilten die Fahrer Geometrie, Handling, Fahrspaß, Vortrieb sowie Up- und Downhill-Performance. Zudem benotete MB die Güte von Federgabel, Reifen, Bremsen und der restlichen Ausstattung. Nach dem Praxistest zerlegte MB die Prüflinge, ermittelte Gewichte, die Lenkkopfsteifigkeit sowie den Rahmenkomfort – ebenfalls Bestandteile der über einen komplexen Schlüssel ermittelten Endnote.
Dabei gewichtete MountainBIKE die objektiven Parameter wie Parts oder Steifigkeiten sowie die subjektiven Fahreindrücke etwa gleich stark. Schließlich macht ein exzellent ausstaffiertes Mountainbike alleine kein Traumrad, für ein top Fahrgefühl sind Geometrie und Handling ausschlaggebend!
Apropos Ausstattung: Der Infokasten auf der rechten Seite zeigt, was Sie für 999 Euro erwarten können und worauf Sie besonderen Wert legen sollten. Denn obwohl alle Hersteller in dieser Preisklasse knallhart kalkulieren, sind die Unterschiede erheblich. Bei den Handelsmarken markiert das Bulls mit komplettem XT-Antrieb, Reba-Gabel, top Bremsen und Reifen unangefochten die Spitze – das Optimum für diese Klasse!
Zusammen mit dem steifen, fein gemachten Rahmen und den ausgesprochen ausgewogenen Fahreigenschaften gebührt dem ZEG-Rad der begehrte MB-Kauftipp – empfehlenswert für Einsteiger wie für angehende Profis. Auch das eher Race-orientierte Carver bietet zumeist prima Parts, leidet in der Praxis aber extrem unter der äußerst unkomfortablen Marzocchi-Gabel. Deutliche Abstriche macht der Käufer bei Corratec (schwache Bremse), Haibike (Naben und Kurbel unter Deore-Niveau, schwache Bremse) und Stevens (schwere Gabel) – langfristig gedacht lohnt bei diesen Bikes meist der Griff zum nächstteureren Modell.
Ganz eng liegen die Versender-Bikes beisammen. Das Radon offeriert die mit Abstand beste Ausstattung, federt gar mit der Profi-Gabel Rock Shox SID – der bleischwere Rahmen mit überholter Geometrie wirkt da umso deplatzierter. Kaum Anlass zur Testerkritik bot das überlegt ausstaffierte Poison. Nur das gewisse Etwas fehlt, wie es etwa das Rose dank seines eigenständigen Rahmens bietet – schade, dass die Recon-Forke im Count Solo nicht mit Reba und SID mithalten kann.
Den klar besten Rahmen im Test besitzt das hochsportliche Canyon: modern, leicht, steif, komfortabel, exzellent verarbeitet. Obwohl das „giftige“ Handling nicht jedem taugen wird, sichert sich das AL 6.0 so hauchdünn den Versender-Kauftipp.
Vorteil:
Preis/Ausstattung: Dank Direktvertrieb sparen sich Versender die Marge für den Handel – der Verkaufspreis kann niedriger ausfallen, alternativ spendiert der Versender seinen Bikes eine im Vergleich zum Fachhandel höherwertige Ausstattung. Aber: Großhandelsmarken wie Bulls (ZEG) halten in puncto Ausstattung oft mit Direktvertreibern mit.
Vorteil:
Individuelle Parts: Einige Versender wie Poison oder Rose bieten mittels Online-Konfigurator die Möglichkeit, Part für Part das eigene Traum-Bike aufzubauen.
Vor-/Nachteil:
Beratung: Sie findet online oder am Telefon meist durch gut geschulte Mitarbeiter statt – und muss deshalb nicht zwingend schlechter sein als im Bike-Shop. Eine persönliche Beratung gibt‘s bei den meisten Versendern aber nur in eigenen Geschäften, oft ausschließlich am Firmensitz.
Probefahrt: In der Regel bieten Versender – wenn überhaupt – nur am oft weit entfernten Firmensitz Probefahrten an. Dafür liefern ausführliche Geometrietabellen oder „Passform-Finder“ (prima: Canyon) im Internet theoretische Eckpunkte zur hoffentlich passenden Größe. Und: Immer häufiger besteht bei Mountainbike-Testivals oder in ausgesuchten Testcentern die Chance, ein Versender-Bike zum Testride zu erhaschen.
Service: Für Umtausch, Erstservice oder Reparatur muss beim Versender das Bike jeweils verpackt und verschickt werden – eine oft langwierige Angelegenheit. Um die Montage und das finale Setup etwa der Federelemente muss sich der Kunde selber kümmern. Ausnahme: Radon ermöglicht durch spezielle Vereinbarungen Reparaturen in rund 100 ausgewählten Shops.
Wägen Sie genau ab, welchen Vertriebsweg Sie bevorzugen – sonst sind Enttäuschungen programmiert! Toll: Vor allem die Bikes von Bulls, Canyon, Poison, Radon und Rose bieten erstaunlich viel Fahrvergnügen, eignen sich teils sogar für erste Rennerfahrungen.
In der Tabelle auf dieser Seite finden Sie alle neun Bikes aus diesem test - inklusive
Name des Bikes/Link zum Testbericht | Gewicht | Preis | Testurteil | |
Bulls Copperhead 3 (Kauftipp) | 11,1 kg | 999 Euro | Überragend | |
Carver Pure 150 | 11,5 kg | 999 Euro | Gut | |
Corratec X-Vert S 0.3 Ltd. | 11,7 kg | 999 Euro | Gut | |
Haibike Edition RC | 12,1 kg | 999 Euro | Gut | |
Stevens 8 S | 12,5 kg | 999 Euro | Gut | |
Canyon Grand Canyon AL 6.0 (Kauftipp) | 11,2 kg | 999 Euro | Sehr gut | |
Poison Zyankali Team 2 | 11,3 kg | 999 Euro | Sehr gut | |
Radon ZR Team 7.0 | 11,5 kg | 999 Euro | Sehr gut | |
Rose Count Solo 2 | 11,2 kg | 999 Euro | Sehr gut// |