Immer mehr Allround-Mountainbikes mit breiten Felgen und Reifen im Format 27,5+ drängen auf den Markt. Wir haben 8 Modelle zwischen 3000 und 4000 Euro getestet.
Immer mehr Allround-Mountainbikes mit breiten Felgen und Reifen im Format 27,5+ drängen auf den Markt. Wir haben 8 Modelle zwischen 3000 und 4000 Euro getestet.
Von uns getestet: 10 All-Mountains in 27,5+
Das Testfeld im Überblick
Hersteller und Modell / Link zum Testbericht | Preis | Testurteil | |
Bergamont Trailster 8.0 Plus (2017) | 3499 Euro | Gut | |
Cube Stereo 150 HPA SL 27,5+ (2017) | 3199 Euro | Sehr gut | |
Drössiger XRA One Select Plus (2017) | 3499 Euro | Sehr gut | |
Ghost H AMR 8 LC (2017) | 2999 Euro | Sehr gut | |
Mondraker Factor XR+ (2017) | 2999 Euro | Sehr gut | |
Rocky Mountain Pipeline 750 MSL (2017) | 4000 Euro | Gut | |
Scott Spark 720 Plus (2017) | 3499 Euro | Überragend | |
Stevens Whaka+ ES (2017) | 3399 Euro | Sehr gut |
Enduro-Hype hin, Racefully-Comeback her – die meisten von uns suchen keinen Spezialisten, sondern ein veritables Alleskönner-MTB. Das Mountainbike für jeden Tag, für (fast) jede Situation. Draufsetzen, losfahren, Spaß haben. Also ab in den Laden und eins kaufen? Besser nicht, denn auch bei den Allroundern hat sich zuletzt viel getan, und ein Fehlkauf wäre vorhersehbar.
So tummeln sich Do-it-all-MTBs in zwei Federwegsbereichen: Tour-/Trailfullys mit 120 bis 130 mm sowie All-Mountain-Bikes mit 140–150 mm Hub. Dazu dominieren zwei Laufradgrößen: das rollfreudige 29 Zoll und das agilere 27,5 Zoll. Und nun kommt noch etwas Neues dazu: 27,5 Plus (oder auch B+). Das basiert auf 27,5", aber mit fetten MTB-Reifen von 2,8–3,0", mit wuchtigen Felgen von 40 mm Maulweite und breiten „Boost“-Achsen.
Genau diese properen Newcomer-Bikes haben wir uns für unseren Test herausgepickt. Sind die Mountainbikes in 27,5+ wirklich die Offenbarung in Sachen Grip, Traktion, Fahrsicherheit und Komfort, wie es uns die Marktschreier der MTB-Industrie glauben lassen wollen? Oder dominieren die Nachteile wie das höhere Gewicht, das trägere Fahrverhalten, die womöglich unpräzisere Linienwahl? Kurzum: Sind die All-Mountain-Bikes in 27,5+ wirklich die neuen Alleskönner oder maximal als Zweit-Bike tauglich?
Zehn MTB-Hersteller hatten wir eingeladen, acht sagten zu. Preislich bildet der Test die gehobene Mittelklasse ab. 3000 bis 4000 Euro sind ein Haufen Geld, darunter ist die Auswahl an Plus-Fullys aber noch klein. Oder das Gewicht so hoch, dass Touren zur Qual werden.
In Sachen Federweg waren wir bei der Auswahl tolerant. Zwar federn an sechs Testbikes All-Mountain-typische 140/150 mm, Scott und Mondraker wollten uns aber lieber ein kurzhubigeres Modell (Spark statt Genius, Factor statt Crafty) schicken, das aus ihrer Sicht besser zum Allround-Gedanken passt. Genehmigt! Zumal sich die Frage stellt, ob Federweg bei Mountainbikes in 27,5+ nicht unwichtiger ist als bei konventioneller Bereifung.
Denn: Der große fahrdynamische Unterschied zwischen Plus und Normal liegt nicht primär an der Reifenbreite, sondern am davon abhängigen Reifendruck. Durch das größere Luftvolumen eines Breitreifens lässt sich dieser mit viel weniger Luftdruck betreiben, ohne dass die Pannengefahr steigt.
Wir sind im Test durchgängig mit 1,2 Bar (statt sonst 1,8–2,0 Bar) gefahren – bei circa 70 Kilo Körpergewicht der Tester. Dieser Niedrigdruck hat Vorteile. So schmiegt sich der MTB-Reifen förmlich an feuchte Wurzeln und glatte Steine, verkrallt sich ideal im Untergrund. Grip und Traktion steigen in nahezu ungeahnte Höhen.
Das bewirkt vor allem bei Mountainbike-Einsteigern und weniger versierten Fahrer/innen ein dickes Plus (ha!) an Sicherheit. Erstaunlicherweise rollen die Moppelchen auch richtig flott. Erneut ist der geringe Druck „schuld“, durch den der Plus-Reifen flexibel bleibt und von Hindernissen weniger abgebremst wird. Das gilt übrigens schon für kleinste Schottersteinchen.
Zurück zum Thema Federweg: Plus fährt sich komfortabler. Die Ballon-Reifen wirken wie eine Mini-Federung, die dem eigentlichen Fahrwerk vorgeschaltet ist. Kleine Stöße werden bereits vom Reifen geschluckt.
Klingt alles prima? Ist es auch. Fast alle getesteten All-Mountain-Bikes in 27,5+ konnten uns überzeugen. Selbst grimmige, verblockte Downhills verlieren ihren Schrecken. „Rein und drüber“ lautet das Motto. Und das funktioniert auch bei niedrigen Geschwindigkeiten, in dem Fall sogar besser als bei einem federwegsreichen, „normalen“ 27,5"-Enduro. Dazu klettern die 27,5+-Fullys grenzgenial: Die Traktion will einfach nicht abreißen, egal wie steil der Anstieg ist.
Die Nachteile von 27,5+ wollen wir nicht verschweigen. Viele Fahrtechnik-Routiniers können sich mit Mountainbikes in 27,5+ nicht anfreunden, weil ihnen das Handling zu unpräzise ist und der Reifen bei aggressiver Kurvenfahrt wegknicken kann. Während der Normalo von dieser fehlerverzeihenden Reifenflexibilität profitiert, wird der Könner dadurch ausgebremst.
Am augenscheinlichsten ist aber das hohe Gewicht. Im Schnitt 14 Kilo wiegen die Mountainbikes im Test. Das ist mindestens ein Kilo mehr, als wir von einem All-Mountain dieser Preisklasse erwarten und liegt – logo – an den schweren Reifen/Laufrädern. Mehr Leichtbau ist nicht in Sicht. Die Erfahrungen der ersten Plus-Saison haben gezeigt, dass die Reifen nicht zu dünnwandig sein dürfen, um wirklich geringe Drücke fahren zu können.
Immerhin: Die angesprochene Rollfreude und die tolle Traktion machen einen Teil des Übergewichts wett. Trotzdem kostet bei langen, alpinen Anstiegen jedes Extra-Gramm viele Körner. Und die Beschleunigung der dicken Walzen ist atemraubend – im wahrsten Sinne.
Kein Wunder, dass uns am Ende die leichteren, die agileren Plus-Bikes wie das Ghost H AMR 8 LC oder das Scott Spark 720 Plus am besten gefallen haben. Sie kommen unserem Allrounder-Ideal zwar nicht ganz so nahe wie etwa ein 29er mit 130 mm Federweg, sie machen aber dennoch fett Spaß. Und das jeden Tag aufs Neue.
Steifigkeit: Eine hohe Lenkkopfsteifigkeit sorgt für ein präzises und direktes Handling, ein zu hartes MTB verzeiht jedoch wenig Fehler. Werte zwischen 60 und 100 Nm/° definiert MOUNTAINBIKE auch für schwere Fahrer als ideal. Alle Bikes schaffen den grünen Bereich, das Ghost H AMR 8 LC und das Stevens Whaka+ ES nur knapp – was in der Praxis aber nicht auffiel.
Gewichte: Die mit Präzisionswaagen ermittelten Werte zeigen, wie sich das Gewicht verteilt. Im Schnitt wiegen die Bikes 14,1 Kilo – ganz schön viel. Leichtestes (und leichtfüßigstes) Plus-All-Mountain ist das Scott Spark 720 Plus. Das Cube Stereo 150 HPA SL 27,5+, das Drössiger XRA One Select Plus und das Scott Spark 720 Plus waren schlauchlos aufgebaut, was deren geringes Laufradgewicht erklärt.
Jedem MOUNTAINBIKE-Radtest liegt eine komplexe Punktematrix zugrunde. Um maximale Transparenz und Informationen zu bieten, gibt es die Ergebnistabelle bereits seit der letzten Saison zum Nachlesen.
Wie jedes Jahr haben wir die Kategorien 2017 auf die Entwicklungen der Saison angepasst. Außerdem bewerten wir die Bikes etwas strenger. Es wird für die Hersteller jetzt schwerer, eine „überragende“ Bewertung zu bekommen. Im Umkehrschluss bedeutet „gut“ dann, dass das Bike auch wirklich eben gut und kein Reinfall ist.
Die Unterschiede zwischen einem „sehr guten“ Bike mit 220 Punkten und einem „sehr guten“ Rad mit 200 Punkten sind ebenfalls deutlicher bemerkbar. Modelle im unteren „sehr guten“ Bereich sind oft nicht so ausgewogen, dafür ist eine Charaktereigenschaft wie Downhill oder Vortriebseffizienz bisweilen stark ausgeprägt. Die Höchstpunktzahl bleibt 250 – aufgeteilt auf zwölf Bereiche.
Ganz wichtig: Die jeweilige Gewichtung, wenn etwa für Downhill 20 oder aber 30 Punkte verteilt werden, passen wir auf das jeweilige Testfeld an. Nur so lassen sich Räder innerhalb der völlig unterschiedlichen Kategorien bewerten und vergleichen.
Der Fokus bei den All-Mountain-Bikes in 27,5+ liegt auf dem Handling und dem Fahrspaß, aber natürlich müssen diese selbsternannten Allrounder in allen Bereichen überzeugen.
Rund die Hälfte der Punkte (Gewicht Bike, Gewicht Rahmen, Rahmensteifigkeit, Ausstattung, Verarbeitung/Sonstiges) resultieren aus Laborergebnissen und der Analyse unserer Techniker. Die anderen Punkte berechnen sich aus den (nicht abgebildeten) Einzelnoten der vier Testfahrer aus dem Praxistest.
Logo, das punktbeste Bike erhält den Testsieg. Zudem vergeben wir einen zusätzlichen Tipp für das oder die Bike(s) mit einem herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis.
Auswahl: Das Testfeld entsteht in langen Diskussionen in der Redaktion. Wichtige Punkte sind dabei etwa das vorher festgelegte Preisfenster oder natürlich das Einsatzgebiet. Außerdem achten wir darauf, möglichst neue und/oder innovative Bikes aufzunehmen.
Die Bikes werden bei den Herstellern angefordert, müssen drei Monate bei uns bleiben, ehe sie retourniert werden. Für diesen AM-Test fragten wir zehn Hersteller an, acht folgten unserem Ruf. Conway konnte uns das angefragte Bike zum Testzeitpunkt nicht in Serienreife liefern, Trek sagte für das neue Fuel EX ohne nähere Begründung ab.
Praxistest: Außer dem Testleiter sind bei jedem Biketest drei erfahrene Tester am Start. Jeder Tester fährt mit jedem Bike mindestens einmal über einen zur Kategorie passenden Rundkurs. Nach jeder Runde notieren die Fahrer ihre Noten und Eindrücke in acht Bereichen – etwa in Sachen Vortriebseffizienz, Downhill oder Handling.
Diese Bewertungen zu allen Bikes werden nach Ende des Praxistests gemeinsam besprochen und auf ungewöhnliche Abweichungen hin überprüft. Den Test führten wir zunächst während des Foto-Shootings am Gardasee, dann auf unserer bewährten Teststrecke bei Stuttgart durch. Alle acht Bikes wurden bei kaltem, aber gleichbleibendem Wetter und trockenen Bodenverhältnissen gefahren.
Labortest: Unsere Techniker wiegen alle Bikes und zerlegen sie in ihre Einzelteile. Die Rahmen werden (wie Gabeln und Laufräder) einzeln gewogen, danach vermessen. Alle Gewichte sowie die Daten in den Geometrie-Skizzen sind keine Herstellerangaben, sondern von uns ermittelt. Die Parts werden notiert und mit den Herstellerangaben verglichen.
Anschließend vermisst unser Laborchef Haider Knall und sein Team auf Prüfständen des renommierten EFBE-Instituts die Steifigkeiten. Diese Werte fließen wie Gewichte und Ausstattung in die Bewertung der Bikes mit ein.
Das Spinnennetz weiter unten auf dieser Seite zeigt, wo die Stärken und Schwächen des Bikes in Relation zum Testumfeld liegen. Je größer der Ausschlag in eine der acht Richtungen, desto prägender der Charakterzug. Ein Allrounder weist rundum eine große Fläche, ein Spezialist eine verschobene Grafik auf. Die jeweiligen Eigenschaften wie Up- oder Downhill sind meist gegensätzlich angeordnet. So siehst du auf einen Blick, welches Profil das Bike aufweist.
Die Grafik unten zeigt ein eher abfahrtslastiges Bike mit potentem Fahrwerk – keinen wuseligen Sprinter.
Und das versteckt sich hinter den Begriffen: