Das neue Reifenformat 27,5 Plus verspricht mehr Komfort, Traktion und Fahrsicherheit. Vor allem Hardtails sollen von den extrabreiten Schlappen profitieren. Wir sind der Sache auf den Grund gegangen und haben sechs Hardtails mit Plus-Bereifung getestet.
Nein, langweilig wird es mit der umtriebig-hektischen Bike-Industrie nie. Kein Jahr vergeht, in dem das Bergradeln nicht mit Revolutionen aufwartet. Die nun durchs MTB-Dorf getriebene Sau ist ’ne besonders dicke: 27,5 Plus.
Kompletten Artikel kaufen
Test-Jahrbuch: Alle 2016er Bike-Tests
Sie erhalten den kompletten Artikel (207 Seiten) als PDF
Dahinter verbergen sich Bikes im jüngst etablierten Laufradmaß 27,5", jedoch mit extrabreiten Reifen von 2,8"–3,0" (was aber weniger breit ist als beim sogenannten Fatbike mit 4,0"-Schlappen). Diese Breitreifen sitzen auf Felgen um 40 mm Innenweite.
Damit das alles Platz hat, sind teils weitere Kniffe nötig, etwa breitere Achsen/Gabeln im neuen „Boost“-Standard, ausladendere Heckstreben sowie Kurbeln mit weiter außen sitzenden Kettenblättern.
Test: Was bringen Bikes mit breiten Reifen in 27,5 Plus?
27,5 Plus: Mehr Grip, Komfort, Sicherheit
Und was soll das Ganze? Breitere Reifen bedeuten in erster Linie: geringerer Luftdruck. Durch das große Luftvolumen kann im Vergleich zu Reifen von 2,25"–2,4" ein niedriger Druck gefahren werden, ohne dass die Gefahr von Durchschlägen („Snake bite“) steigt. Theoretisch zumindest.
Fahrdynamisch hat ein geringer Luftdruck um 1,2 Bar Vorteile: Der Grip des Reifens und damit die Fahrsicherheit steigt, dennoch rollt der Reifen im Gelände besser, da er durch Unebenheiten weniger abgebremst wird. Auch Fahrkomfort und Uphill-Traktion profitieren von der „Zusatzfederung“. In unserem Daterecording-Vergleich von 27,5+ mit herkömmlichen Reifenformaten ließen sich diese Benefits belegen.
Jedoch konnten wir auch Nachteile aufzeigen. So sind Gewicht und damit die Schwungmasse deutlich erhöht: Handling und Beschleunigung sind träger. Zudem neigen die Niedrigdruck-Reifen bei aggressiver Fahrweise in Kurven zum „Walken“, was die Präzision des Handlings verschlechtert. Und die aktuelle Plus-Reifengeneration schwächelt noch beim Pannenschutz.
Dennoch, Plus hat Potenzial! Vor allem weniger versierte Fahrer profitieren von der enormen Fahrsicherheit mehr, als sie die Nachteile spüren. Und dank 27,5 Plus bekommt eine hochspannende Bike-Kategorie endlich Zuwachs: die Trail- oder All-Mountain-Hardtails.
Paradebeispiele sind die sechs Wuchtbrummen in diesem Test, die aus großen Häusern stammen. Denn waren es bislang eher englische Kleinstmarken, die solche „Fun-Hardtails“ im Programm führten, sind es nun Cannondale, Scott, Specialized ...
Plus-Hardtails: Breite Reifen, bergablastige Geometrie
Das Rezept ist fast immer gleich: 27,5+ gepaart mit bergablastiger Geometrie (flacher Lenkwinkel unter 68°, längerer Radstand, längerer Reach bei dennoch kompakter Sitzposition) sowie mit Federgabeln von mindestens 120 mm Hub.
Ganz anders als bei der Masse klassischer Hardtails, deren Gene aus dem CC/Marathon-Rennsport stammen: gestreckte Sitzposition, steil-nervöse Front, straffe 100-mm-Gabeln – gut zum Streckemachen, nix zum Spaßhaben.
Letzteren hatten wir beim Praxistest in Latsch (Südtirol) zur Genüge. Die „Fatties“ lassen sich vorzüglich bergab prügeln, die propperen Reifen und die flach-langen Geos bügeln so manchen Fahrfehler aus, bergauf ist die Traktion der breiten Walzen unschlagbar.
Aber: Gemessen am Preis sind bis auf das Scott Scale 710 Plus alle Testbikes zu schwer(fällig), was zusammen mit den meist verbauten 1 x 11-Antrieb den Einsatzbereich einschränkt. Sowohl bei den Rahmen als auch bei den Anbauteilen wirken noch nicht alle Bikes ausgereift – es bleibt also weiterhin spannend ...
Plus-Hardtails: Die Gewichte der Test-Bikes
Die mit Präzisionswaagen ermittelten Einzelgewichte zeigen, wo die Pfunde an den Testbikes stecken. Beim Gesamtgewicht deklassiert das Scott Scale 710 Plus die Konkurrenz, es wiegt rund 1,8 Kilo weniger als der Durchschnitt der anderen fünf Plus-Hardtails. Den schwersten Rahmen hat das Marin Pine Mountain 2.
MountainBIKE
MountainBIKE 0516 Plus-Hardtails Gewichte
Plus-Hardtails: Lenkkopfsteifigkeiten der Test-Bikes
Eine hohe Lenkkopfsteifigkeit sorgt für ein präzises Handling – das Bike tanzt quasi nicht aus der Reihe. Werte über 60 Nm/° definiert MountainBIKE auch für schwere Fahrer als ausreichend. Gut: Alle Bikes liegen im grünen Bereich, auch der Stahlrahmen des Marin Pine Mountain 2. Extrem steif ist der leichte Rahmen des Cannondale Beast of the East 2.
MountainBIKE
MountainBIKE 0516 Plus-Hardtails Lenkkopfsteifigkeit
Punktevergabe und Benotung der Test-Bikes
MountainBIKE
Punktevergabe und Benotung (für Großansicht auf die Tabelle klicken)
Der optimale Luftdruck bei verschiedenen Reifengrößen:
So viel Luftdruck (in Bar) solltest du in deinem MTB-Reifen fahren:
MountainBIKE
MountainBIKE 0516 Plus-Hardtails Luftdruck
Weitere Faustregeln:
- Pro 10 kg Gewicht: plus/minus 0,1 Bar
- Schlauchlos/UST: minus 0,2 Bar
- DH-Karkasse o. ä.: minus 0,1–0,2 Bar
- extremes Gelände: plus 0,1–0,2 Bar
Diese Produkte haben wir getestet:
Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen mountainbike-magazin eine Provision erhält. Diese Links sind mit folgendem Icon gekennzeichnet: