Gutes Rad muss teuer sein? Nicht unbedingt! Diese 18 Touren-MTB beweisen mit starkem Vortrieb und hohem Komfort das Gegenteil!
Gutes Rad muss teuer sein? Nicht unbedingt! Diese 18 Touren-MTB beweisen mit starkem Vortrieb und hohem Komfort das Gegenteil!
Die aktuelle Tourenfully-Generation weiß zu überzeugen - und das bereits zu erschwinglichen Preisen.
Das beweist dieser Test mit zwölf Unisex-Bikes von 1.899 bis 2.099 Euro und mit sechs noch günstigeren (1.799 bis 1.999 Euro) speziellen Lady-Bikes.
Darunter viele Bestseller der Hersteller wie das Cube AMS oder das Scott Contessa Spark.
Preisattraktive Leichtgewichte
Im Schnitt wiegt ein Tourer der 2000-Euro-Klasse nur 12,5 Kilo – das sind locker zwei Kilo weniger als ein gleich teures All-Mountain. Auch das unterstreicht die höhere Langstrecken-Kompetenz der (nomen est omen ...) Tourenfullys. Oder andersrum: Vergleichbar leichte AM-Fullys kosten rund 1000 Euro mehr!
Neben ihren attraktiven Preisen wuchern die 120-mm-Fullys mit drei Pfunden: Effizienz, Komfort und Sorglosigkeit. Zusammen mit geringem Gesamtgewicht bürgen das Fahrwerk und speziell die Geometrie für effizientes Vorankommen und ausgeprägten Kletterwillen.
Nahezu alle Tourenfullys sind dabei einen Tick mehr auf Uphill denn Downhill getrimmt: Steile Sitzwinkel von mindestens 73,5° (siehe rechts) rücken den Biker/die Bikerin leicht nach vorne, ergonomisch sinnvoll über das Tretlager. Die Sitzposition fällt mit langen Oberrohren, aber kurzen Vorbauten zumeist dezent sportlich aus, ohne Streckbank-Feeling oder übertriebene Sattelüberhöhung à la Racebike.
Das alles garantiert nicht nur schmerzfreies Biken auf langer Strecke, sondern vor allem Simplizität. Durch die im Vergleich zu einem All-Mountain etwa drei Zentimeter tiefere Front und die zentrale Gewichtsverteilung sind höhenverstellbare Vario-Gabeln überflüssig, selbst Anstiege mit mehr als 20 Prozent gelingen ohne steigendes, nach Luft schnappendes Vorderrad.
Und wer nur einmal eine knifflige Traumabfahrt mit versehentlich abgesenkter Gabel runtergeeiert ist, weiß die Vorzüge des Verzichts zu schätzen – „keep it simple“ lautet nun das Motto!
Alle Bikes im Test erfüllen die Anforderungen an die Geometrie zumindest im Uphill sehr gut. Besonders sportlich, für Komfort-orientierte Tourer schon einen Tick zu gestreckt, sitzt der Pedaleur auf den allerdings teils mit ausgeprägten Marathon-Genen versehenen Bikes von
Carver, Mondraker und Stevens.
Auch das ursprünglich als Racebike konzipierte Scott Contessa Spark zwingt frau durch die sehr tiefe Front zu einer durchaus knackigen Sattelüberhöhung.
Prima: Die Zeiten munter vor sich her schaukelnder Hinterbauten sind längst passé. Im Gegenteil, die meisten Bikes in diesem Test verfügen über straff abgestimmte Kinematiken, die selbst beherzte Wiegetrittattacken mit stoischer Ruhe beantworten.
Kehrseite der Medaille: Vor allem bei den Hinterbauten mit X-Fusion-Federbein vermissten die Tester im Anstieg Traktion – sonst die große (Uphill-)Stärke eines Fullys. Auch das Mondraker liegt bretthart, wohingegen sich das Rose unter Kettenzug leicht in den Federweg zieht.
Wen das stört, schafft dank zuschaltbarer Wippunterdrückung („Propedal“) am Stoßdämpfer Abhilfe. Problematischer: Carver und Drössiger pumpen unter Last deutlich, müssen mittels Lockout blockiert werden – Traktion und Komfort adé! Alle anderen Bikes kommen meist ohne Griff zwischen die Beine aus. Auch das macht diese Kategorie so schön „stressless“.
Stichwort Komfort: Wer stundenlang auf dem Sattel hockt, darf von seinem Bike ein Höchstmaß an Wohlfühl-Ambiente erwarten – ohne dass die Sportlichkeit leidet.
Bei den Anbauteilen beginnt das Tourer-Ayurveda: Ein breiter, leicht nach hinten/oben gebogener Lenker verbessert Bike-Handling wie Ergonomie, nicht zu dicke Griffe und ein bequemer Sattel sind Pflicht. Hier zeigt sich das Testfeld gespalten: Vielen vernünftigen Schraubgriffen stehen Sättel entgegen, die von den Testern oft verwünscht wurden.
Im Bemühen, Bike-rinnen besonders viel Komfort zu bieten, schießen zudem einige Hersteller übers Ziel hinaus. Die Griffe am BMC und Merida etwa sehen ergonomisch aus, waren den Testerinnen aber zu weich und klobig.
Noch wichtiger für Komfort und Sicherheit – weil nur bedingt austauschbar – ist das Fahrwerk, bestehend aus dem Hinterbau und leichten, einfach abzustimmenden Luftfedergabeln. Heraus ragen die Kinematiken von Bergamont und Canyon: effizient, traktionsstark, mit komfortabler Kennlinie und properen Reserven. Cube, Radon, Rose und das Lady-Giant überzeugen dito.
Kein Zufall, dass in diesen sechs Bikes Federelemente der US-Edelmarke Fox werkeln. Versender wie Canyon oder Rose verbauen sogar teils nur minimal abgeschwächte Highend-Fox-Modelle.
Kritik (statt Schläge ...) steckten wiederholt die teils sehr straffen Fahrwerke ein, im Groben dämpfen Mondraker & Co. Unebenheiten nur unzureichend ab. Stattdessen muss der Biker die Stöße mit seiner Haltemuskulatur „abfedern“ und ermüdet in Folge schneller. Zudem wird das Handling unruhiger, die Talfahrt unsicherer.
Auch Carver und Drössiger irritieren bergab erneut: Beide Hinterbauten sprechen zwar durchaus sensibel an, gehen bei schneller Schlagabfolge aber auf Block und sorgen so für Nervosität. Verstärkt wird diese noch durch den zu weichen Lenkkopf am Carver bzw. den sehr steilen Lenkwinkel am Drössiger.
Übrigens: Cube und Rose setzen getreu dem ewigen Trend nach mehr Federweg seit diesem Jahr auf 130-mm-Fahrwerke. MountainBIKE meint: 120 mm in dieser Kategorie sind genug! Mehr Hub birgt die Gefahr einer zu hohen Geometrie, die dann nicht ohne teure, schwere Vario-Gabel auskommt.
Eine tolle Philosophie – dennoch gilt für MB, dass auch jedes „normale“ Tourenfully auf Anti-Stress-Parts basieren muss.
Eine Forderung, der die Hersteller verstärkt nachkommen. So werden etwa durchgehende Außenhüllen der Schaltzüge mehr und mehr Standard.
Als Schaltungsgruppe hat sich in dieser Preisklasse Shimanos SLX etabliert. Kein Ensemble für Angeber, aber ein solides, nicht zu schweres Arbeitspferd. Speziell das edel ausstaffierte Carver sowie die drei Versender-Bikes toppen dieses Niveau noch teils deutlich.
Ganz klar, wer online kauft, bekommt mehr fürs Geld – muss sich über eventuelle Nachteile, etwa beim Service, aber im Klaren sein. Unterm Schnitt liegen bei den Unisex-Tourern das Mondraker, das günstige Steppenwolf und (knapp) das Stevens.
Kaum erklärbare Abstriche müssen Bikerinnen machen. Die im Schnitt 100 Euro günstigeren Ladyfullys sparen teils drastisch (BMC, Giant, Scott) an der Güte der Antriebskomponenten.
Achtung: Bergamont, Drössiger, Ghost, Steppenwolf und Stevens bieten als kleinste Untersetzung 24 Kettenblatt- zu 34 Ritzelzähnen – für lange und steile Alpenanstiege ganz schön stramm!
Auch standfeste und fein dosierbare Bremsen tragen ihren Teil zur Sorglosigkeit bei. Die beste Wahl in diesem Test treffen Sie mit der bissigen Formula RX sowie den perfekt modulierbaren Avid-Elixir-Modellen.
Erneut enttäuschen teils die Ladyfullys: Die Shimano-Einsteigerbremse M445 (Giant, Merida, Scott) lässt sich zwar gut bedienen, besitzt für Mädels, die‘s bergab auch mal krachen lassen jedoch zu wenig Power – speziell mit 160er-Disc.
Sorgenfreie Ausstattung, effizient-leichtfüßig bergauf und komfortabel-sicher bergab: Bergamont und Canyon gelingt die Tourenfully-Dreifaltigkeit am besten, Contrail und Nerve XC sind „überragende“ Weggefährten. Auch bei den
Lady-Modellen trumpft Bergamont auf.
Das Laufradgewicht ist die Summe aus dem Laufradsatz mit Schnellspannern, Felgenband, Schlauch, Reifen, Bremsscheibe und allen Schrauben.
Die Gabelgewichte verstehen sich inklusive Lockout-Fernbedienung und 15-mm-Steckachse – sofern vorhanden.
Auf EFBe-Prüfständen misst MountainBIKE die Steifigkeiten der Bikes. Die Tretlagersteifigkeit zeigt, wie sich der Rahmen im Antritt verwindet, die Lenkkopfsteifigkeit beeinflusst die Spurstabilität.
Die höchsten Werte erreichen die Unisex- wie Lady-Bikes von Bergamont, Canyon und Ghost. Carver und Scott Contessa verfehlen am Lenkkopf den grünen Bereich von min. 60 Nm/°.
Ein steiler Sitzwinkel bringt Druck auf Pedal und Front, der Trend geht zu 73,5° bis 74°.
Große Discs vorne sind Pflicht – auch für Mädels. Noch besser: 180 mm vorne/hinten.
Leichte Laufräder um 1800 Gramm (Paar) sorgen für Effizienz. Die Felgen sollten Reifen von mindestens 2,25“ aufnehmen. Vorsicht vor Billig-Naben!
Kaum Wippen, Traktion, Komfort und Reserven – die Anforderungen an die 120-mm-Kinematiken sind komplex.
Pannenschutz und Grip sind ein Muss, dennoch sollte der Reifen nicht zu schwer sein und gut rollen. Achtung: Viele Hersteller verbauen günstigere Varianten der Topreifen.
Leichte und auch auf leichtgewichtige Fahrer(innen)gut abstimmbare Luftfedergabeln sind in der 2000-Euro-Preisklasse Standard.
Nicht zu steile Lenkwinkel um 68,5° bis 69° bringen bergab Laufruhe und Sicherheit, ohne die Agilität zu beschneiden.
Frauen wie Männern schenkt ein breiter Lenker (min. 660 mm) Kontrolle und Fahrspaß, Vorbauten bis maximal 90 mm Länge ein direkteres Handling.
Ob Männlein oder Weiblein, der Sattel muss zum Hintern passen. Merke: Ein Blümchendekor schützt nicht vor Po-Schmerzen ...
Praxistest:
Tourenfullys sind vielseitig einsetzbare Allround-Mountainbikes. Und die verlangen nach einer abwechslungsreichen Teststrecke, die Fähigkeiten und Schwächen jedes Rades offenlegt.
Optimale Testbedingungen für das große Testfeld mit zwölf Unisex- und sechs Damenmodellen fand die sechsköpfige „Mixed“-Testcrew in der Nähe von Pforzheim. Der fünf Kilometer lange Rundkurs kombiniert enge Trail-Anstiege mit langen Schotterauffahrten, schnelle, offene Kurven auf losem Untergrund mit engem Trail-Zickzack bergab zu einer fordernden Strecke mit rund 200 Höhenmetern.
Testbedingungen, die die wichtigen Fragen der MB-Tester klärten. Welches Rad agiert im Anstieg am leichtfüßigsten? Welcher Hersteller baut das komfortabelste Fahrwerk? Welches Modell verfügt über die beste Allround-Geometrie? Jeder Tester fuhr jedes Rad dabei mindestens einmal.
Praxisnoten:
Im Anschluss an jede Testrunde fomulierten die Tester ihre – noch sehr intensiven – Fahreindrücke isoliert auf einem speziellen Bewertungsbogen.
Darauf folgte die Besprechnung der Testprobanden, die noch offene Fragen klärt, Sicherheiten schafft und ein klares Bild des Rades zeichnet.
Labortest:
Vor der Prüfung im MountainBIKE-Labor werden zunächst alle Räder gewogen, anschließend zerlegt, sodann Rahmen-, Gabel- und Laufrad-Gewichte ermittelt. Ergänzend wird die Geometrie aufgenommen, bevor auf EFBe-Prüfständen die Tretlager- und Lenkkopfsteifigkeiten gemessen werden.
Endnote:
Mithilfe eines komplexen Bewertungsschlüssels aus über 1500 Einzelnoten errechnete MB die Endnote jedes Bikes und mit dem punktbesten Rad schließlich auch den Testsieger.
Das Gros der Tourenfullys überzeugt mit geringem Gewicht, vortriebsorientierter und dennoch komfortabler Geometrie, effizientem Fahrwerk sowie klug ausgewählten Parts.
Zudem ist zum perfekten Setup der zumeist 120 mm Federweg kein Ingenieursstudium vonnöten. Aus einem sehr guten Testfeld ragen die Bikes von Canyon und Bergamont heraus.