Starre Hinterbauten sind noch lange nicht out! MB zeigt die Faszination Hardtail – und 13 Bestseller.
Starre Hinterbauten sind noch lange nicht out! MB zeigt die Faszination Hardtail – und 13 Bestseller.
16 Hersteller waren eingeladen, 13 Bikes stellten sich schließlich der wahrhaft „harten“ Prüfung. Allesamt Geländeräder von renommierten Fachhandelsmarken, die sich, behutsam modernisiert, seit vielen Jahren einen exzellenten Ruf bei Käuferschaft und Magazinen erworben haben – nicht zuletzt ob des attraktiven Preise von 1.400 bis 1.600 Euro.
Dabei bieten diese Bestseller einen weiteren, von den Marketingabteilungen der Hersteller gern verschwiegenen Vorteil: Im Vergleich zu ihren vollgefederten Pendants sind Hardtails wunderbar zeitlos! Mutiert ein frisch erworbenes Fully aufgrund ständig optimierter Kinematiken und stets wachsender Federwege oft schon in der Folgesaison zum Auslaufmodell, begleitet ein Hardtail viele Biker ihr Leben lang – und bleibt dabei durch die eher moderaten Veränderungen bei Federweg und Geometrie lange „state of the art“. Auch in dieser Hinsicht gilt: hart, aber fair!
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Beispielhaft hier die Eckdaten des XTC-Frames von Giant: eigenständig in Form und Design, keine 1550 Gramm „schwer“, mit einer sauber ausbalancierten sowie modernen Geometrie und mit einem ausgewogenen Verhältnis aus Steifigkeit und spürbarem Rahmenkomfort. Aber auch andere Mütter haben schöne Alu-Töchter.
Speziell BMC und Lapierre begeistern mit hochwertig verarbeiteten, elegant geshapten Frames, die zudem mit teils wunderschönen Detaillösungen betören – wie die in einem aufwendigen Prozedere („Smooth Welding“) veredelten Schweißnähte beim Franzosen-Flitzer. So zeigt sich stolz kein Rahmen von der Asia-Stange, sondern ein treuer Weggefährte, den Besitzer und Bike-Kumpels auch nach Jahren bewundern.
Doch zurück zu den inneren Werten. Dabei gilt: Es ist keine Kunst, einen Rahmen besonders leicht oder(!) besonders steif zu machen, die Kunst besteht im Dreiklang aus Steifigkeit, Gewicht und Stabilität.
Gleich vorweg die gute Nachricht: Während bei den Carbon-Hardtails die Spirale aus immer steifer und immer leichter zuletzt stellenweise überdreht wurde, pedaliert auf den 13 Aluminium-Bikes das ruhige Gewissen mit. Obgleich die meisten Rahmenkonstruktionen mit rund 1600 Gramm asketische Wesenszüge tragen, sind sie von gefährlichem Leichtbau doch weit entfernt.
Gleichzeitig liegen die Steifigkeiten allesamt im guten bis überragenden Bereich. Speziell Cube, Scott und Stevens erzielen im MB-Labor geradezu astronomisch hohe Werte. Werte, die gnadenlose Steuerpräzision und Effizienz versprechen, für Otto Normal-Biker jedoch kaum erfahrbar sind. Deutlicher, weil unangenehm spürbar ist hingegen der meist unzulängliche Komfort.
Nicht nur im Vergleich zum Fully, auch gegenüber am Heck ungefederten Rahmen aus Carbon oder Stahl geben Alu-Hardtails aufgrund der großen Rohrdurchmesser Stöße und Vibrationen nahezu ungedämpft an die müden Knochen weiter. Ein rüpelhafter Umgang, dem die Hersteller im Rennradbau inzwischen sogar mit speziellen Komfortmodellen begegnen. Spindeldünne, flexende Streben oder gar integrierte Elastomer-Dämpfer sollen für einen höheren Wohlfühlfaktor sorgen.
Auch im MTB-Bereich zogen adäquate Lösungen in den vergangenen beiden Jahren wieder verstärkt ein. Von den 13 Testmodellen weist jedoch nur Lapierre so genannte Flexstays auf, BMC und Giant versuchen mit Monostay- und Skeleton-Hinterbauten, die eintretenden Kräfte belastungsgerecht zu verteilen. Anscheinend mit Erfolg, denn diese Modelle erreichen im Rahmenkomfortest hohe Werte.
Wichtig: Dieser Komfortwert „wirkt“ nur, wenn der Biker im Sattel sitzt. Gerade bei rumpeligen Abfahrten, die nur im Stehen zu bewältigen sind, ist die vertikale Elastizität folglich irrelevant. Zudem gibt der Wert nur teilweise Aufschluss über den in der Praxis wirklich spürbaren Gesamtkomfort.
So sind für die Armentlastung primär die Güte der Federgabel sowie eine ergonomische Griffposition entscheidend. Des Weiteren beeinflussen die allgemeine Steifigkeit, die Reifenbreite, der Rohrdurchmesser der Sattelstütze und die Polsterung des Sattels den subjektiven Komfort. Wer Tuningmaßnahmen nicht scheut, kann also auch einem unbarmherzigem Bock zum Kuschelrocker trimmen!
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Schließlich erledigt diese hochqualifizierte Fachkraft die Führungsarbeit – und das mit intelligenten Features. So unterdrücken die verschiedenen Plattform- und Druckstufendämpfungen wie „Motion Control“ bei Rock Shox oder „Absolute Damping“ bei Manitou ungewolltes Pumpen etwa im Wiegetritt, lassen die Forken bei Schlägen vom Untergrund aber dennoch sensibel und schluckfreudig agieren.
Das Niveau an der Front ist in dieser Preisklasse inzwischen ausnahmslos hoch. Speziell die edle und komfortable Fox F100 sowie die steife und sportlich abgestimmte Reba von Rock Shox heimsten bei den Testfahrten Topnoten ein. Generell sind leichte und vor allem leicht abzustimmende Luftfedergabeln in diesem Segment Standard, lediglich Rocky Mountain verbaut eine Stahlfederforke von Marzocchi. Die verrichtet mit der richtigen Federhärte (unbedingt im Shop vorm Kauf checken lassen) ihren Job tadellos, wiegt aber über 700 Gramm mehr als die Topmodelle im Test.
Auch bei den Anbauteilen geben sich die Hersteller erfreulich wenig Blößen. So ziert die meisten Bikes entweder ein kompletter Shimano-XT-Antriebsstrang oder zumindest ein Mix aus XT- und der nicht minder guten SLX-Gruppe. Zuverlässige Discbremsen wie Formula Oro, Shimano XT oder Avid Juicy bringen den Hardtail-Artisten zudem sicher den Berg hinab, selbst topaktuelle Modelle wie Magura Marta SL (Carver) und Avid Elixir (Ghost) ziehen in die 1500-Euro-Klasse ein. Letztere sogar mit 180-Millimeter-Scheiben vorne wie hinten – ideal etwa für Alpentourer!
Mehr Sparsinn entlarvten die MB-Tester dafür bei den Laufrädern. Dabei müssen es nicht zwingend die guten Systemlaufräder Crossride von Mavic sein. Bulls und Centurion zeigen, dass ein klassisch eingespeichtes Laufrad mit DT-Swiss-, Mavic- und XT-Komponenten in dieser Preisklasse spitze und vor allem sorglos ist.
Wer besonders viel materiellen Gegenwert für sein Geld erwartet, wird beim exquisit bestückten Carver fündig. Etwas weniger edel, aber umso durchdachter ist die Ausstattung von Bulls und Cube. Da fehlt es schlicht an nichts! Deutliche Abstriche gibt es bei BMC und Rocky. Dafür bieten beide Nobelfirmen einen charakterstarken Rahmen und damit eine prima Basis für spätere Aufbaumaßnahmen.
Apropos Charakter. Nach rund 50 Ritten über die MB-Teststrecke steht fest: Auch in auf den ersten Blick nahezu identischen Hardtails schlummern viele Seelen. So offenbaren sich Marathon-Flitzer wie das Stevens, Touren-Talente wie das Steppenwolf oder aggressive Cross-Country-Akrobaten wie das Giant.
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Bei der Federgabel wiegt MB, sofern vorhanden, Remote und Steckachse mit. Das Laufradgewicht ist die Summe aus dem eigentlichen Laufradsatz mit Schnellspanner, Felgenband, Schlauch, Mantel, Bremsscheibe und sämtlichen Schrauben.
Auf EFBe-Prüfständen misst MB die Steifigkeiten der Bikes. Die Tretlagersteifigkeit zeigt, wie sich der Rahmen im Wiegetritt verwindet, die Lenkkopfsteifigkeit beeinflusst die Spurstabilität. Typisch Aluminium-Hardtail: Alle Bikes erreichen gute bis überragende Werte – die ab und an aber auch zulasten des Komforts gehen. Die steifsten Rahmen besitzen Scott, Stevens und Cube.
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Kein Wunder, alle Hardtails zeigen ihre Stärken systembedingt in langen Anstiegen und giftigen Kletterpartien. Dennoch positionieren sich auch hier reine Bergziegen, Allrounder und Experten für rassige Abfahrten.
In erster Linie prägt die Geometrie mit Lenkwinkel und Rohrlängen das Handling, aber auch das Cockpit hat großen Einfluss. CC- und Trail-Fans bevorzugen meist agile Bikes, Marathonisti und Tourer lieben es laufruhig.
Um die „vertikale Elastizität“ zu ermitteln, montieren die MB-Techniker einen Satteldummy in definierter Höhe auf dem Rahmen mit jeweils zugehöriger Originalstütze. Dieser Dummy wird mit einem Gewicht von 80 Kilo belastet, die angebrachte Messuhr nimmt die vertikale Verformung in Millimetern auf. Erfreuliche Parallelen zum Laborergebnis: In der Praxis wurden explizit die Hardtails von BMC, Giant, Lapierre und Rocky von den MB-Testern als „spürbar komfortabel“ genannt.
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Lapierre: wunderschön! Mit einem zweiten Schweißgang („Smooth Welding“) zaubern die Franzosen fließende Übergänge statt wulstiger Nähte.
Focus: Weniger schön! Mangels Neopren- oder zumindest Folienschutz war die Kettenstrebe bereits nach wenigen Metern stark vermackt.
Bulls: Die durchgehend verlegten Züge sorgen auch nach Schlammschlachten für gleichbleibend hohen Schaltkomfort. Einfach und doch clever.
Stevens: Kein Tester mochte den Versatz der Sattelstütze, zudem löste sich trotz hohem Anzugsmoment gern mal die Ein-Schrauben-Klemmung.
Cube: Beim Reaction sind die Shimano-Innenlagerschalen direkt ins Rahmengehäuse gepresst („Pressfit“). Das sorgt für hohe Steifigkeiten.
BMC: Trotz 180er- Scheiben zu schwach! Die Shimano-M-486-Stopper lassen sowohl Bremspower wie auch gute Dosierbarkeit vermissen.
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Ein von den Fahreigenschaften so dicht gedrängtes Feld gab es bisher in kaum einem MB-Test. Gut für den Käufer, der sich sicher sein kann, ein günstiges, voll Marathon- wie Alpen-taugliches Bike zu erhalten. Dennoch ragen drei Bikes hervor: Während Bulls und Cube mit perfekten Konzepten den Kauftipp einheimsen, brilliert Testsieger Lapierre mit dem feinsten Mix aus Sport, Tour und Fahrspaß!
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