Wer baut das schnellste Race-Fully? MountainBIKE hat 13 MTB-Modelle für den Temporausch getestet.
Wer baut das schnellste Race-Fully? MountainBIKE hat 13 MTB-Modelle für den Temporausch getestet.
Der Race-Jahrgang 2011 führt diesen Trend fort, manifestiert sich in „entspannteren“ Geometrien mit kürzeren Vorbauten und flacheren Lenkwinkeln, in komfortableren Fahrwerken und in ergonomischeren Parts – Streckbank adé! Auch die Federwege wuchsen um bis zu 50 Prozent in weniger als zehn Jahren – eine Entwicklung, die auch im CC-Weltcup von Profis wie Geoff Kabush oder Wolfram Kurschat angestoßen wurde.
Aber genügen diese Bikes überhaupt noch den Ansprüchen ehrgeiziger Racer? Oder ging die Kernkompetenz „effektiv und schnell“ verlustig? Ist das auf 120 mm Federweg angewachsene Racefully am Ende gar das Tourenbike von morgen?
Um diese Fragen zu klären, lud MB 13 Racefullys der Oberklasse im Preisbereich von 4500 bis 5600 Euro zum Vergleich. Eine elitäre Preislage, aber nicht mal die teuerste: Bis auf BMC, Cube, Radon und Stevens haben alle Hersteller noch ein edleres Pferd im Stall.
Umso besser, dass auch in diesem Testfeld alle ihre Firstclass-Technologien präsentieren: Carbon-Rahmen aus der teuersten Hightech-Faser, aber auch ausgeklügelte Fahrwerks-Verstellungen wie das „mitdenkende“ Specialized- Brain-System. Erfreulich für alle mit schmalem Geldbeutel: In abgeschwächter Form kommen die technischen Merkmale der Räder sogar an den Einsteigerbikes der jeweiligen Modelle zum Einsatz.
Das Testfeld könnte spannender kaum sein. Bekannte Bikes wie das vielseitige Scott Spark oder das rassige Rennpferd Storck Adrenalin stellen sich ehrgeizigen Neukonstruktionen wie dem Cube AMS oder dem Felt Edict. Allen Probanden gemein ist ein Carbon-Hauptrahmen, oft ergänzt durch einen Carbon-Hinterbau.
Zum intensiven Praxistest reiste die MB-Crew Anfang Dezember in zwei mediterrane Traumreviere: Apt in der Provence und Finale Ligure am Tyrrhenischen Meer, um die Fahrqualitäten auf einer Teilstrecke der „24 Stunden von Finale“ auszuloten. Der anschließende Laborcheck ermittelte die Gewichte von Rad, Rahmen, Gabel und Laufrädern. Die Steifigkeitsmessungen auf EFBe-Prüftischen an Lenkkopf und Tretlager legten weitere Stärken und Schwächen im Testfeld offen.
Waren bereits die 2010er Rahmen mit durchschnittlich 2272 Gramm sehr leicht, verschiebt der aktuelle Racefully-Jahrgang die Messlatte weiter: Um beachtliche 109 Gramm speckten die Carbon-Chassis im Schnitt ab. Spitzenreiter ist mit 1930 Gramm wie im Vorjahr das Haibike, das zudem mit guten Steifigkeitswerten aufwartet.
Knapp dahinter platziert sich mit 1954 Gramm der neue Cube-Rahmen, der dank top Steifigkeiten auch beim SGI-Wert (Steifigkeits-Gewichts-Index) auftrumpft: 101,3 Punkte, Rang zwei. Platz eins belegt mit 102,4 Punkten das Storck, die überlegen hohe Steifigkeit gleicht den zweitschwersten Rahmen (2421 g) aus.
Auch Stevens unterstreicht mit 85 Nm/° Lenkkopfsteifigkeit seine Carbon-Kompetenz. Die beachtlichen Unterschiede in der Rahmensteifigkeit machten sich im Fahrbetrieb bei den MB-Testern um 75 Kilo jedoch kaum bemerkbar. Markant spürbar war lediglich die enorme Steifigkeit des Storck, vor allem am Lenkkopf.
Das mit den Highend-Rahmen geschaffene Vortriebs-Potenzial kann der Fahrer nur über einen effizient arbeitenden Hinterbau abrufen. Und auch hier sind die Zeiten bockharter Folterstühle vorbei, die Entwickler streben einen Kompromiss aus möglichst hohem Fahrkomfort und Vorwärtsimpuls des Fahrwerks an.
Je nachdem, in welche Richtung dieses Pendel ausschlägt, inspiriert auch die Kinematik den Charakter des Bikes: vom straff-tempogierigen Cross-Country-Flitzer bis zum komfortablen Marathonisti. Mit hervorragender Bergauftraktion punkten allen voran Specialized und Cube. Ihren feinfühligen, schluckfreudigen Hinterbauten ist es gleich, in welcher Größe Fahrbahnstöße auf das Hinterrad treffen – sie verarbeiten sie souverän, sichern so dauerhaft Vortrieb.
Von der breitbandig justierbaren Arbeitsschwelle des Brain-Dämpfers am Specialized profitieren Rennprofis wie Tourenbiker. Nicht mehr top, aber immer noch auf erstaunlichem Niveau präsentiert sich das Spark mit 110-mm-Hinterbau: Via Lenker-Fernbedienung („Twinlock“) setzt der Fahrer den Federweg auf 80 mm herab und klettert fortan noch emsiger.
Das neue Ghost spricht ähnlich dem Cube zuerst den Racer an: Die hohe Uphill-Traktion treibt das Rad bergauf, bergab ist das Fahrwerk allerdings minimal unkomfortabel. Das Potenzial des leichten Rahmens verspielt das Haibike durch die ungünstige Kinematik, die den Hinterbau zu sehr in die 110 mm Federweg zieht, so Traktion, Vortrieb und Fahrfreude beschneidet.
Die eher spärlichen 95 mm Federweg am Storck sind selten. Selbst das ist Ihnen zu viel? Alle Bikes verfügen über Plattform- oder Blockierhebel an Federbein und -gabel, um Asphalt-Intermezzi fast ohne jegliche Antriebseinflüsse zu bezwingen.
Die Bausteine Handling und Ausstattung bestimmen final das „Race-Pendel“. Mit der genialen Verquickung von charismatischem Renncharakter und Sahne-Handling glänzt das Specialized selbst auf anspruchsvollsten Trails. Wer sein Racefully ausschließlich als solches sieht, steigt jedoch auf das lang gestreckte Felt, das ultrasteife Storck, das leichtfüßige Ghost oder das noch ehrgeizigere Cube.
Hier sind Eigenheiten wie ein sehr schmaler Lenker (Felt), die starke Frontlastigkeit des Storck oder die Cube-Lenkerhörnchen Teil des Vollgas-Konzepts. Weit marathonlastiger agieren BMC und Rocky, die im Downhill zur Hochform auflaufen. Die kompakte Geometrie mit hohem Cockpit und breitem Riser-Lenker am KTM bedient gar Tourengeschmäcker.
Auch das wuselige Scott und das sehr breitbandige Stevens punkten nicht nur bergab bei fahrtechnisch weniger Versierten durch die Federreserven der langen 120-mm-Gabeln – die 3 x 10-Antriebe bringen den Pedaleur zudem entspannt auf den Gipfel. Apropos Antrieb: Die Güte der Schaltgruppen reicht von „nur“ Shimano XT (am Trek und am günstigen KTM) bis zur exquisiten Sram-XX-Gruppe am Versenderbike Radon.
Am häufigsten griffen die Produktmanager zur prima arbeitenden Sram- X.0-Gruppe – meist durch die erstklassige X.0-Bremse ergänzt. Cube, Ghost und Stevens toppen dies mit der superedlen Shimano XTR.
Die Gabelgewichte von KTM und Radon verstehen sich inklusive 15-mm-Steckachse. Das Laufradgewicht ist die Summe aus dem Laufradsatz mit Schnellspannern, Felgenband, Schlauch, X-King-Einheitspneu (Conti), Bremsscheibe und allen Schrauben.
Auf EFBe-Prüfständen misst MB die Steifigkeiten der Bikes. Die Tretlagersteifigkeit zeigt, wie sich der Rahmen im Antritt verwindet, die Lenkkopfsteifigkeit beeinflusst die Spurstabilität. Auffallend hoch sind die Steifigkeiten am Storck, was sich in der Praxis in sehr hoher Lenkpräzision artikuliert. Geringe Lenkkopfsteifigkeiten wie am Trek waren in der Praxis so nicht spürbar.
Die Tabelle zeigt: Racebike ist nicht gleich Racebike! Up- und Downhillstärke der Räder legen Charakter und Einsatzzweck der Modelle fest. CC- wie Marathon-Rennen werden zwar vorrangig bergauf entschieden, für den Normalfahrer ist ein ausgewogenes Rad aber oftmals wichtiger.
In den seltensten Fällen werden Racefullys ausschließlich im Rennen eingesetzt. Ein gutmütiges Rad mit vorhersehbarer Lenkung, das sicher auch in schnellem und unwegsamem Gelände agiert, dürfte auch für Hobby-Racer vorteilhaft sein. Äußerst agil-nervöse Vertreter wie etwa das Haibike brauchen etwas Erfahrung.
An und für sich harmonischer Verlauf von Gabel und Hinterbau. Nach etwas höherem Losbrechmoment gegenüber der gabel nutzt der Hinterbau den mittleren Federweg prima aus. Zum Schluss stärkere Endprogression.
Das erhöhte Losbrechmoment verhindert ein Wegsacken des Hinterbaus. Im weiteren Verlauf werden die 110 mm schön genutzt, die Endprogression setzt erst spät ein. Anfangs sensibler, harmoniert die Gabel später gut.
Kleine Schläge genügen, damit der Trek-Hinterbau anspricht. Der empfundene, hohe Komfort im mittleren Federwegsbereich deckt sich mit der schön linear verlaufenden Kennlinie. Die Fox-Gabel harmoniert prima.